So gehen Sie mit (scheinbaren?) Dringlichkeiten um

Nicht jeder Notfall ist wirklich ein Notfall. Nicht jede Aufgabe und Unterbrechung, die absolut dringend daher kommt, ist wirklich so dringend.

Lassen wir uns von (scheinbaren?) Dringlichkeiten leiten, springen wir von einer Zufälligkeit zur nächsten. Das ist Gift für das produktive Arbeiten.

Natürlich gibt es Jobs, bei denen Unterbrechungen zum Jobprofil gehört. Der Empfang, die Telefonzentrale oder im Support. Hier gehört es zum Profil, sich ständig unterbrechen zu lassen. Doch bei vielen anderen Jobs ist es keineswegs so.

Oft können wir selbst (mit)bestimmen, was wirklich dringend ist und als solches behandelt werden sollte.

E-Mails beispielsweise sind so gut wie nie „von Natur aus“ dringend. Nur wenn wir das so entscheiden (dazu später mehr). Es gibt praktisch keinen Grund, sich ständig davon unterbrechen zu lassen. Sie können sich darauf verlassen: Ist etwas wirklich dringend, werden Sie angerufen.

Lässt man sich dauernd unterbrechen, ist das nicht ein Zeichen dafür, wichtig oder gefragt zu sein, sondern ein Zeichen, dass man schlecht organisiert ist.

Gut organisierte Leute erkennen die drei Arten von Dringlichkeit:

  1. Dinge, die tatsächlich sofort erledigt werden müssen (echte Dringlichkeiten).
  2. Dinge, die eine echte Fälligkeit irgendwann in der Zukunft haben.
  3. Dinge, die erledigt werden müssen, aber kein Fälligkeitsdatum haben.

Der falsche Weg ist dieser:
Sie behandeln ausschließlich Aufgaben aus der ersten Kategorie. Alles andere lassen Sie so lange ruhen, bis es auch in diese Kategorie fällt und erledigen auch diese Dinge unter großem Druck.

Ein besserer Weg wäre dieser hier:

  • Echte Dringlichkeiten: Diese haben Priorität und Sie kümmern sich darum. Das ist eigentlich klar. Nur: Sie sind fokussiert und lassen sich nicht durch andere Dinge unterbrechen oder ablenken.
  • Fälligkeit in der Zukunft: Sie planen diese Aufgaben rechtzeitig ein und erledigen Sie zeitnah, nachdem Sie sie erhalten haben. Sonst greift plötzlich das 72-Stunden-Gesetz. Dieses besagt: Bei neue Aufgaben und Ideen, die wir nicht innerhalb von 72 Stunden wenigstens kurz durchdenken, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass wir sie je anpacken, auf unter 5 Prozent. Oder dann erst, wenn es wirklich eng wird und wir sie erledigen müssen.
  • Keine Fälligkeit: Aufgaben ohne Fälligkeit sind nicht automatisch unwichtig. Das eine hat mit dem anderen herzlich wenig zu tun. Oder bezeichnen Sie die Aufgabe „Netzwerk pflegen“ als unwichtig, nur weil Sie das nicht bis nächsten Mittwoch erledigt haben müssen? Kaum. Um diese Aufgaben kümmern Sie sich auch. Sie entscheiden bewusst, wann Sie was erledigen wollen. Genauso wie bei den beiden anderen Kategorien.

Was sind aber echte Dringlichkeiten?

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir Entscheidungen treffen.

Natürlich: Wenn das Büro brennt, ist das eine echte Dringlichkeit. Oder wenn die Presse einen Finanzskandal in Ihrer Firma aufdeckt. Hier wäre sogar das Wort „Notfall“ angebracht. Um diese Notfälle müssen wir uns sofort kümmern, ob wir wollen oder nicht.

Abgesehen davon, ist die Definition von „dringend“ sehr individuell. Man könnte sogar sagen:

Etwas ist dringend, weil Sie sich entschieden haben, dass es dringend ist.

Ein paar Beispiele:

  • E-Mails sind immer dringend, wenn Sie sich entschieden haben, sofort auf jede neue E-Mail zu reagieren (wovon ich Ihnen abrate). E-Mails sind nicht dringend, wenn Sie sich für die Regel entschieden haben, innerhalb von 24 Stunden zu reagieren.
  • Haben Sie sich entschieden, heute eine bestimmte Aufgabe zu erledigen, dann ist es dringend, damit jetzt zu beginnen (auch wenn Abgabe erst nächste Woche ist).
  • Der Anruf ist dringend, wenn das Telefon klingelt und Sie kommuniziert haben, während Büroöffnungszeiten erreichbar zu sein. Der Anruf am Mittwoch Nachmittag ist nicht dringend, wenn Sie dann geschlossen haben, aber zufällig im Büro sitzen.
  • Oder etwas aus dem Alltag: Haben Sie sich entschieden, immer nach dem Essen abzuwaschen, ist der Abwasch dringend, sobald der Teller leer ist. Er ist nicht dringend, wenn Sie sich entschieden haben, einmal täglich abzuwaschen.

Daraus ergeben sich zwei Regeln:

  1. Dringend sind echte Dringlichkeiten, also Notfälle.
  2. Dringend sind diejenigen Dinge, denen Sie – und nicht sonst jemand – die Dringlichkeit zusprechen.

Bei mir haben beispielsweise Kundenanliegen eine hohe Dringlichkeit. Hat jemand Probleme mit dem Login auf meine Seite, unterbreche ich diesen Artikel sofort und versuche zu helfen. Das geht, weil das nicht so häufig auftritt.

Der Kommentar zu einem Artikel hingegen freut mich, hat aber eine bedeutend weniger hohe Dringlichkeit für mich.

Damit treffen sich die Dringlichkeiten mit dem Prinzip Entschieden und dem Prinzip Fokussieren. Wichtig ist, wenige selbst gewählten Dringlichkeiten zu bestimmen. Sonst torpedieren Sie Ihre Arbeitsorganisation. Ist nämlich alles prioritär, ist nichts mehr prioritär.

P.S.: Über ein schönes Experiment zu Dringlichkeiten erzähle ich hier: Die Geschichte von der Abwesenheitsnachricht

ÜBER IVAN BLATTER

Ivan Blatter
Ivan Blatter

Ich bin seit 2008 Zeitmanagement-Coach und führe meine Kunden zu mehr Selbstbestimmung und Freiheit in ihrem Business.

  • Ich helfe einerseits Solopreneuren, Selbstständigen und Unternehmern, ihr Zeit- und Selbstmanagement in den Griff zu bekommen, so dass sie mehr Freiraum haben.
  • Andererseits helfe ich meinen Kunden, über sich hinauszuwachsen, damit sie das erreichen, was sie wirklich wollen.

Mit meinem umfangreichen Blog, meinem erfolgreichen Podcast und meinem Buch "Arbeite klüger – nicht härter" habe ich schon tausenden Menschen weiterhelfen können.

Daneben helfe ich aber auch Menschen, die schnell und gezielt vorwärts kommen wollen, mit meinen Angeboten.

Immer getreu meinem Motto: Nutze deine Zeit, denn sie kommt nie wieder.