Die stillen To-do-Listen

Sie sind so ganz anders als all die anderen Dinge, die ständig Lärm machen und uns auch gerne vorgaukeln, dass sie dringend und wichtig sind. 

Die stillen To-do-Listen sind – wie der Name schon sagt – leise aber beharrlich. Das sind Dinge, die wir tun müssen und die uns genau daran durch ihre schiere Existenz erinnern. Sie stehen genau genommen gar nicht auf einer Liste, sondern sind einfach mahnend präsent.

Da ist z.B. der Geschirrspüler, der noch nicht ausgeräumt ist, der Knopf an der Jacke, der noch nicht angenäht ist, der unaufgeräumte Keller, der Kindle, der aufgeladen werden sollte, oder das Mikrofon, das in der Ecke liegt und darauf wartet, bei Ebay verkauft zu werden. 

Im Job ist es die Rechnung, die auf dem Tisch liegt, es sind die Stapel, die überall herumliegen, die halbfertigen Dokumente auf dem digitalen Schreibtisch oder überhaupt die ganzen E-Mails in der Inbox, die abgearbeitet oder erledigt werden müssen.

Jede/r von uns hat solche Dinge und wir wissen genau, wie sich das anfühlt. Diese stillen To-dos tragen bei zur Verzettelung. Denn wir haben dann nicht nur die klassische Aufgabenliste, die eigentliche To-do-Liste, und unsere Tagesplanung, sondern wir haben eben noch diese Dinge, die rumliegen und uns vorwurfsvoll anschauen.

Wie soll ich da einigermaßen schlau planen können? Wie soll ich da entscheiden können, was ich heute tun will und was nicht? Wie soll ich da entscheiden können, was zu viel ist und was ich weglassen oder delegieren möchte? 


Diesen Inhalt gibt es übrigens auch zum Anschauen im Rahmen meiner regelmäßigen YouTube Lives – auch genannt #blatterbewegt:

Die Verzettelung ist aber nur die eine Hälfte des Problems. Die andere Hälfte ist der Stress, den wir uns mit diesen Dingen machen. Wir sehen ständig diese Dinge, die wir auch noch erledigen müssen. 

Das Bild mit dem vorwurfsvollen Blick kommt nicht von ungefähr. Wir kennen das alle, nicht wahr?

Im besten Fall führt das zu einem schlechten Gewissen, viel häufiger führt das jedoch schon fast zu einer Selbstgeißelung. Wir sagen uns „Komm jetzt, erledige das jetzt.“ Das machen wir aber meistens doch nicht. Und sobald unser Blick wieder auf dieses Ding fällt, beginnt es wieder von vorne. Das resultiert in Stress und zwar in negativem Stress.

Gibt es eine Lösung?

Ja, die gibt es, genau genommen sogar drei.

Umgang mit stillen To-do-Listen

1. Ordentlich: Getting Things Done (GTD)

Getting Things Done hat eine ganz simple Philosophie. Diese besagt, man soll alles Unerledigte zuerst mal in einem Eingangskorb zusammentragen. In der physischen Welt ist das eine klassische Briefablage, wo alles Unerledigte rein kommt. 

Danach wird dieser Stapel nach einem strukturierten Prozess Schritt für Schritt abgearbeitet, d.h. es werden die nächsten Schritte festgelegt.

Nach dem GTD-Prinzip trägst du also die Dinge deiner stillen To-do-Liste zusammen und sammelst sie an einem Ort.

Geht das nicht, weil du weder den unaufgeräumten Keller, noch die knopflose Jacke in den Eingangskorb legen kannst, dann verwende einen Platzhalter. Schreib also auf einen Zettel „Keller aufräumen“ und lege diesen in die Inbox.

Bist du damit fertig, dann arbeite diese Dinge konsequent ab. Abarbeiten heißt nicht unbedingt sofort erledigen, sondern auf die klassische To-do-Liste schreiben, delegieren oder konkretisieren.

Gerade größere Vorhaben sollten in kleinere Handlungsschritte und Aufgaben herunter gebrochen werden. Dann werden sie konkret, handhabbar und verlieren zuweilen auch ihren Schrecken.

Das physische Ding, das bislang still mahnend präsent war, kann dann weggeräumt werden. 

Du kannst also die Jacke mit dem fehlenden Knopf oder den Stapel Papier, der durchgearbeitet werden muss, getrost in den Schrank versorgen, weil das dort dann ja nicht vergessen geht. Der Platzhalter befindet sich im Eingangskorb oder schon auf der To-do-Liste.

Da die sichtbare Erinnerung weg ist, fällt auch der Stress weg. Nicht die Aufgabe an sich, aber dieser Kreislauf von Erinnerung, schlechtem Gewissen, Aufschieben, neuer Erinnerung etc.

Eine Einführung in das Getting Things Done-Prinzip findest du in meiner mehrteiligen Artikelserie hier.

2. Pragmatisch: Wenige, definierte Sammelplätze

GTD ist nicht immer praktikabel. Es gibt Dinge, die nützen mir wenig auf meiner To-do-Liste. 

So macht es keinen Sinn, die Briefpost im Schrank zu versorgen und mir eine Aufgabe „Briefpost lesen“ auf meine To-do-Liste zu setzen.

Eine Alternative kann da sein, ganz wenige Orte zu schaffen, wo solche Dinge dann liegen dürfen. 

Beispielsweise ein Ort für private Dinge und einer für berufliche Dinge – mehr nicht. Dort wirst du dann visuell an ihre Erledigung erinnert. 

Bei mir ist das z.B. der kleine Tisch in der Küche, wo auch mal etwas liegen bleiben darf, das ich noch tun muss. Auch die Briefpost landet zunächst mal da, besonders wenn sie nicht geöffnet ist.

Diese Alternative ist immer zweite Wahl. In der Regel sollte Unerledigtes auf die To-do-Liste wandern. Nur wenn das nicht geht oder unpraktikabel ist, dann solltest du einen solchen Sammelplatz definieren. 

3. Strategisch: Auf den Schreibtisch damit

Als ich früher Getting Things Done ziemlich buchstabengetreu gelebt hatte, hatte ich mir eine schöne Briefablage als Eingangskorb auf den Schreibtisch gestellt. Dort landete zuerst mal alles, was meine physische Welt betreten hat. 

Mit der Zeit habe ich es mit dem regelmäßigen Abarbeiten nicht mehr so genau genommen. Die Briefablage war ja schmuck und da hat es optisch nicht viel ausgemacht, ob da nun drei oder zwanzig Dinge drin lagen. Es war so oder so sehr aufgeräumt und ordentlich. Doch es war ja nicht Sinn und Zweck des Eingangskorbs, dass sich die Dinge darin einfach anhäufen.

Also habe ich die Briefablage aufgehoben und ab sofort alles direkt auf dem Schreibtisch gesammelt. Wieso? Weil mich ein voller Schreibtisch unendlich nervt. Auf diese Weise habe ich dem Sammeln einen Riegel vorgeschoben. Die Schmerzgrenze war so niedrig, dass ich immer alles schön abgearbeitet habe, bevor Stapel entstehen konnten.

Und so nutze ich jetzt meinen gesamten Schreibtisch ganz bewusst als stille To-do-Liste, weil das dazu führt, dass ich die Dinge eben auch tatsächlich bearbeite. 

Genau dasselbe mache ich übrigens mit dem digitalen Schreibtisch. Wenn es auf dem „Schreibtisch“ (bei Mac; unter Windows „Desktop“) zu viele Dateien hat, nervt mich das ebenfalls. Deshalb arbeite ich diesen virtuellen Eingangskorb auch immer schön regelmäßig ab. 

Stille To-do-Listen behindern deinen Fokus

Mit diesen drei Lösungen hast du einen möglichen Umgang mit diesen stillen To-do-Listen. Sobald diese bei dir nämlich zu Stress führen, solltest du auf jeden Fall einen anderen Umgang mit ihnen finden.

Das Ganze hat auch sehr viel mit Fokus zu tun. 

Wenn ich aus verschiedenen Ecken immer wieder still, aber beharrlich an etwas Unerledigtes ermahnt werde, kann ich mich beim besten Willen nicht richtig fokussieren. 

Dann sind diese Dinge eben doch nicht so still („Hey, hier bin ich immer noch…!“), sondern lassen das Gedankenkarussell drehen („Ich sollte noch dies, ich sollte noch das.“). Das führt unweigerlich zu Stress.

Mach Inventur

Hast du sehr viele solcher stillen To-do-Listen, dann empfehle ich dir, Inventur zu machen. Trage alles zusammen, was da „rumliegt“ – entweder tatsächlich oder eben mit einem Platzhalter in Form eines Zettels.

Arbeite danach diesen Stapel ab. Stelle dir dabei immer auch die Frage: „Was passiert eigentlich, wenn ich das hier nicht erledige?“ Damit kannst du recht schnell erkennen, was bei den einzelnen Dingen auf dem Spiel steht. Du erkennst, ob es sich lohnt, die Sache tatsächlich anzugehen. 

Wenn bei deiner einzigen Winterjacke ein Knopf fehlt, dann wirst du sie nicht mehr tragen können. Da lohnt es sich also, die Angelegenheit tatsächlich zu erledigen. Räumst du jedoch den Keller nicht auf, dann musst du vielleicht etwas länger suchen, wenn du etwas brauchst, aber sonst passiert wahrscheinlich nicht viel. Allenfalls kannst du solche Dinge auch einfach unerledigt lassen. Das ist dann eine Entscheidung, die du bewusst fällst und die dann dein System entlastet.

Am Schluss bleibt das übrig, was du wirklich angehen musst und/oder willst. Das sind dann deine To-do-Schulden. Diese stotterst du ab. 

Nimm dir jeden Tag 15 bis maximal 20 Minuten Zeit und beginne, diese Dinge zu erledigen. Je nach Höhe des Stapels dauert das vielleicht ein paar Wochen, vielleicht noch länger, vielleicht aber auch weniger lang. Das spielt keine Rolle. Am Ende hast du deine To-do-Schulden abbezahlt, bist befreit und wirst mithilfe der Lösungsvorschläge weiter oben keine neuen stillen To-do-Listen mehr anlegen.

Stille To-do-Listen sind kein Wahnsinns-Problem, aber sie sind wie Kieselsteine in deinem Schuh. Sie stören und behindern dich und wirken sich negativ auf vieles andere aus. Deshalb: Weg damit!

ÜBER IVAN BLATTER

Ivan Blatter
Ivan Blatter

Ich bin seit 2008 Zeitmanagement-Coach und unterstütze Selbstständige dabei, durch strategisches Zeitmanagement mehr Klarheit, mehr Fokus und mehr Zeit für das zu schaffen, was wirklich zählt. Damit gewinnen sie die Kontrolle über ihre Zeit und Arbeit zurück und haben wieder den Freiraum, den sie brauchen.

Mit meinen Videos auf YouTube, meinem Podcast, meinem Buch "Arbeite klüger – nicht härter", und meinem Newsletter habe ich bereits tausenden Menschen geholfen, wieder mehr Klarheit, Fokus und Kontrolle über ihre Zeit zu erlangen.

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Immer getreu meinem Motto: Nutze deine Zeit, denn sie kommt nie wieder.