Ist dir langweilig? Gut so :-)

Langeweile ist irgendwie unangenehm und nicht einfach auszuhalten. Wir erinnern uns wohl noch alle gut an diese Situationen in unserer Kindheit, wo uns langweilig war. Das war öde, verbunden mit einer inneren Unruhe und Unlust. 

Wir wollten irgendwie, konnten uns aber doch nicht durchringen. Es war schwierig, uns da zu was zu motivieren. Das gelang weder uns, noch unseren Eltern so richtig.

Aus solchen Erfahrungen heraus haben wir gelernt: Wir versuchen Langeweile so gut wie möglich zu vermeiden – was in der heutigen Zeit ja auch gar nicht mehr schwierig ist.

Leider verpassen wir da aber was. Denn Langeweile hat durchaus auch eine positive Seite, die uns auch helfen kann, sogar produktiver zu arbeiten. Man glaubt es kaum.

Diesen Inhalt gibt es übrigens auch zum Anschauen im Rahmen meiner regelmäßigen YouTube Lives – auch genannt #blatterbewegt:

Diese These vertritt z.B. Cal Newport. In seinem lesenswerten Buch „Deep Work “ / „Konzentriert arbeiten(Affiliate-Links) erklärt er, warum es sich lohnt, sich mehr zu langweilen.

Cal Newport setzt beim Fokus auf die wichtigen Dinge an. Gerade für uns Kopf- und Schreibtischarbeiter ist es extrem wichtig, dass wir uns auf die Aufgaben fokussieren, die eine große Wirkung entfalten können. Denn in diesen Bereichen sind wir nicht ersetzbar. Dort wo unsere Stärken liegen, sind wir nicht ersetzbar, und da liegen auch die Aufgaben, auf die wir uns richtig konzentrieren müssen und die wir nicht einfach so in der Alltagshektik erledigen können.

Hier kommen nun die Unterbrechungen und Ablenkungen ins Spiel. Diese hindern und behindern uns dabei, das zu tun, worauf wir uns eben fokussieren sollten. Nach Cal Newport ist dabei nicht einmal die ablenkende Tätigkeit an sich das Problem. Nicht sie reduziert die Fähigkeit des Gehirns, sich zu fokussieren, sondern es ist der konstante Wechsel von wenig stimulierenden und hochwertigen Tätigkeiten zu sehr stimulierenden und minderwertigen Tätigkeiten

Wenn wir ständig zwischen diesen beiden Arten von Tätigkeiten hin und her wechseln, dann trainieren wir unser Gehirn darauf, beim kleinsten Hinweis auf Langeweile sofort nach Neuigkeiten oder beim kleinsten Hinweis auf kognitive Herausforderungen sofort nach Ablenkungen zu dürsten.

Du wirst dieses Phänomen bestimmt auch kennen. Ich kenne es sehr gut: 

Ich arbeite z.B. an einer Podcastfolge. Das ist eine hochwertige Tätigkeit, aber sie ist nicht besonders stimulierend, wie es vielleicht News, Social Media lesen etc. sind. So schaue ich also mal schnell in meine E-Mails, wo ich meine Neugierde stillen und mir einen kleinen Dopamin-Schub holen kann. Dann wechsle ich wieder zurück zur Podcastfolge. Nach einigen Minuten wechsle ich für eine „Recherche“ in den Browser, wo ich gerade mal noch schnell durch die Online-Zeitung scrolle und mir da etwas Stimulanz hole. 

So trainiere ich mich und mein Gehirn dazu, beim kleinsten Hinweis auf Langeweile oder kognitive Herausforderungen sofort nach Ablenkungen nach Neuigkeiten zu verlangen. 

Entsprechend ist also nicht die Ablenkung, in Form von Social Media, News etc. das Problem, sondern einzig der konstante Wechsel, der die Fähigkeit unseres Hirns, sich zu konzentrieren, reduziert. Hier liegt das eigentliche Problem.

Unsere Herausforderung besteht darin, dass wir lernen müssen, uns wieder intensiv zu konzentrieren und den Wunsch nach Ablenkung zu überwinden. Genau hier kommt die Langeweile ins Spiel. 

Wenn wir Langeweile nicht zulassen und uns die Langeweile abtrainieren, indem wir z.B. jede Wartezeit zu füllen versuchen, dann verlernen wir die Fähigkeit Deep Work zu betreiben. So verlernen wir die Fähigkeit, uns zu konzentrieren und springen eben jedem Wunsch nach Ablenkung nach. 

Für mich persönlich war diese Erkenntnis ein echter Augenöffner. Als Produktivitätscoach weiß ich zwar Mittel und Wege, wie ich mit solchen Herausforderungen umgehen kann, aber ich lebe natürlich in derselben Welt wie alle anderen auch und habe mit denselben täglichen Herausforderungen zu kämpfen. 

So habe ich mit ganz kleinen Schritten versucht, mehr Langeweile zuzulassen. Ich habe z.B. aufgehört, in der Straßenbahn sofort mein Smartphone zu zücken und die Mails zu checken oder im Internet zu surfen. Ich schaue jetzt einfach zum Fenster raus. Das ist eine klitzekleine Maßnahme, aber eine gute Übung, wenigstens mal ein bisschen Langeweile zuzulassen.  

Anderes Beispiel: Wenn ich am Morgen früh aufstehe und meinen ersten Kaffee trinke, verzichte ich nun bewusst, dabei mit meinem Smartphone die News zu checken. Oft sind diese ja eher sensationsheischend und negativ. Lese ich diese am Morgen als Erstes, trainiere ich nicht nur diese Ablenkungssucht, sondern ich starte gleich mal mit einer Portion Negativität in den Tag. Und du weißt: Wie der Tag beginnt, so wird er verlaufen.

So einfach das klingt, manchmal muss man sich schon ganz klar Barrieren setzen. Ich habe mein Smartphone extra ins Wohnzimmer gelegt, um bei meinem Morgenkaffee in der Küche nicht in Versuchung zu geraten. Ich habe dann aber gemerkt, dass ich mehr als einmal dann halt einfach zum iPad gegriffen habe, das gerade in der Küche lag. Da musste ich auch das iPad weiter weg legen. Manchmal muss man sich tatsächlich zu etwas Langeweile zwingen.

Wie kann man lernen, Langeweile zuzulassen?

Einerseits kannst du eben versuchen, eine neue Gewohnheit entstehen zu lassen, indem du dir halt einfach ein anderes Verhalten angewöhnst – eben z.B. in der Strassenbahn zum Fenster rausschauen anstatt dein Smartphone hervorzuholen. 

Oder du beseitigst aktiv die Versuchung, so wie bei meinem Beispiel mit dem Smartphone, das ich aus der Küche verbannt habe am Morgen.

Auf diese Weise kannst du nach und nach wieder lernen, ein bisschen Langeweile im Tag unterzubringen. Dir muss dabei nicht mal wirklich langweilig sein. Es geht einfach darum, mal nichts zu tun, mal nur dazusitzen und es auszuhalten, ohne Ablenkung klarzukommen. 

Gemäß Cal Newport hat der ständige Wechsel zwischen wenig stimulierenden, hochwertigen Tätigkeiten und stimulierenden, minderwertige Tätigkeiten auch zur Folge, dass man mit der Zeit nicht mehr ausfiltern kann, was relevant ist. Jede Ablenkung könnte ja wichtig sein. So verlernt man dann tatsächlich die Fähigkeit sich zu fokussieren, wenn man diesem Wechsel ständig nachgibt. 

In seinem Buch „Deep Work(Affiliate-Link) gibt Cal Newport ein paar eher allgemeine Hinweise, wie du Langeweile wieder zulassen kannst. Etwas mehr in die Tiefe geht er bei seinem Buch „Digital Minimalism(Affiliate-Link). Vor allem wenn die Ablenkungen eben in digitaler Form daher kommen, findest du dort gute Strategien. 

Eine Maßnahme aus „Deep Work (Affiliate-Link) finde ich besonders interessant. Cal Newport sagt nämlich: 

„Don’t take break from distraction, instead take break from focus.“ 

Das ist spannend. Er sagt also, man soll mal Pause von der Ablenkung machen anstatt Pause vom Fokus. Damit dreht er die Geschichte um. Was heißt das nun? 

Wenn wir eine Pause von der Ablenkung machen, heißt das nichts anderes, als dass die Ablenkung eigentlich der Normalzustand ist und wir uns die Zeit für Fokus aktiv freischaufeln müssen. Drehen wir das Ganze aber um und machen Pause vom Fokus, sehen wir das konzentrierte Arbeiten als Normalzustand und gönnen uns da dann Zeiten, wo wir uns ablenken lassen. 

Das ist eigentlich nur eine andere Sichtweise (vielleicht vergleichbar mit dem halb vollen und halb leeren Glas), macht aber einen Unterschied im Kopf. Wenn ich nämlich mit diesem Gedanken an meine Tagesplanung und -gestaltung gehe, mache ich das anders.   

Ich bin nicht sicher, ob Newports Rat, Internetzeiten zu definieren und außerhalb dieser Zeiten das Internet komplett zu meiden, in der Praxis bestehen kann, weil wir halt inzwischen auch das Internet regelmäßig für unsere Arbeit brauchen. Es gibt heute viele Programme und Dienste, die cloud-basiert sind oder einen Internetzugang brauchen. Dennoch gefällt mir der Grundgedanke.

Cal Newport meint weiter, ablenkungsfreie Tage oder Stunden würden im Endeffekt nichts bringen, weil das dasselbe wäre, wie wenn ich mich einmal pro Woche gesund ernähre und die restliche Zeit nur Schrott in mich reinstopfen würde. Insofern bringt eine Stunde Fokuszeit herzlich wenig, wenn ich mich die restliche Arbeitszeit dann ablenken und unterbrechen lasse. 

Von der Einstellung her bin ich völlig bei Cal Newport, denn die Einstellung, das Mindset hat einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf unser Verhalten. Ich finde, wir sollten beginnen, in diese Richtung zu denken. Dennoch bin ich in der Praxis Freund von Fokuszeiten und propagiere solche bei meinen Coachings und Workshops. Der Alltag sieht halt oft anders aus und da sind solche Mittel wie Fokuszeiten echte Gamechanger. 

Zusammenfassend

Nicht die ablenkende Tätigkeit an sich reduziert unsere Fähigkeit uns zu fokussieren, sondern der konstante Wechsel von wenig stimulierenden, aber hochwertigen Tätigkeiten (der Kern unserer Arbeit) zu sehr stimulierenden, aber minderwertigen Tätigkeiten.

Dieser ständige Wechsel trainiert uns so, dass wir ständig nach Ablenkungen suchen. Lassen wir Langeweile zu, unterbrechen wir diese Spirale. 

Dabei reicht es schon, kleine Schritte zu gehen und sich hier und da mal eine Ablenkungs-Auszeit zu nehmen. Selbstverständlich lässt sich das aber weiter ausbauen. Man kann dann auch versuchen, sich nur auf eine Sache zu konzentrieren, also z.B. mit einem Kollegen Kaffee trinken, ohne nebenbei das Handy zu checken. 

Des Weiteren finde ich die Umkehrung der Sichtweise spannend, wonach die Fokuszeit eigentlich der Normalzustand sein sollte und die Ablenkung die Ausnahme. Entsprechend nehme ich mir bewusst eine Ablenkungs-Pause und nicht umgekehrt. Dieser Gedanke überzeugt mich vor allem vom Mindset her.

Ich möchte dir diese Gedanken mit auf den Weg geben. Vielleicht regen sie dich an und lassen dich ein paar Dinge in deinem Alltag anders sehen und anders machen. 

Häufig sind es ja nicht die großen Dinge, die wir verändern müssen, um wirklich im Leben vorwärts zu kommen oder um auf das nächste Level zu kommen. Häufig sind es Kleinigkeiten, die einen Unterschied machen. 

ÜBER IVAN BLATTER

Ivan Blatter
Ivan Blatter

Ich bin seit 2008 Produktivitätscoach und führe meine Kunden zu mehr Selbstbestimmung und Freiheit in ihrem Business.

  • Ich helfe einerseits Solopreneuren, Selbstständigen und Unternehmern, ihr Zeit- und Selbstmanagement in den Griff zu bekommen, so dass sie mehr Freiraum haben.
  • Andererseits helfe ich meinen Kunden, über sich hinauszuwachsen, damit sie das erreichen, was sie wirklich wollen.

Mit meinem umfangreichen Blog, meinem erfolgreichen Podcast und meinem Buch "Arbeite klüger – nicht härter" habe ich schon tausenden Menschen weiterhelfen können.

Daneben helfe ich aber auch Menschen, die schnell und gezielt vorwärts kommen wollen, mit meinen Angeboten.

Immer getreu meinem Motto: Nutze deine Zeit, denn sie kommt nie wieder.