Die To-do-Liste gilt ja als das Instrument im Zeitmanagement, als Fundament, ohne welches vernünftige Arbeit gar nicht mehr möglich ist. Man kann die Listen so oder so führen, aber dass man sie führen soll, scheint die landläufige Meinung zu sein.
Bei Dingen, die so selbstverständlich zur Grundausstattung gezählt werden, stelle ich mir gerne mal die Frage „Ist das denn tatsächlich so?“, oder besser noch „Stimmt das auch für mich?“.
Es kann ja sein, dass es ohne To-do-Liste viel besser geht. Ich kenne z.B. Leute, die haben keine To-do-Liste, sondern schreiben ihre Aufgaben direkt in den Kalender. Und trotzdem haben sie ihre Arbeit im Griff und sind erfolgreich.
Ich bin kein Freund von Schwarzweißmalerei und dogmatischen Haltungen. Gerade im Zeit- und Selbstmanagement gibt es, wie an vielen anderen Orten auch, kein allgemein gültiges Richtig oder Falsch.
Richtig ist das, was für mich funktioniert. Deshalb habe ich grundsätzlich Mühe damit, wenn To-do-Listen entweder als heiliger Schrein dargestellt werden oder als überflüssiger Ballast, der nur weiteren Stress verursacht.
Schlussendlich geht es immer um eine individuelle Beurteilung. Im Falle der To-do-Liste habe ich genau das für mich gemacht.
Diesen Inhalt gibt es übrigens auch zum Anschauen im Rahmen meiner regelmäßigen YouTube Lives – auch genannt #blatterbewegt:
Ich habe die etwas ruhigeren Sommerwochen genutzt und für mich das Experiment „Keine To-do-Liste mehr“ durchgeführt, nach dem Motto „Probier’s mal aus – vielleicht funktioniert’s ja, vielleicht aber auch nicht.“
Ich kam auf die Idee, weil ich ja schon seit längerer Zeit mit Time Blocking meine Zeitplanung mache, und zwar sehr erfolgreich. Meine Überlegung war, dass ich eigentlich auf die To-do-Liste als Zwischenstation für die Aufgaben verzichten kann, wenn ich die Aufgaben dann sowieso im Rahmen der Time Blocking-Planung in meinen Kalender schreibe.
Gedacht, getan. Ich bin also hingegangen und habe alle Aufgaben gelöscht bzw. in meinen Kalender übertragen.
Das war eine höchst interessante und ziemlich heilsame Übung, denn ich bin dann doch auf die eine oder andere Aufgabe gestoßen, die schon sehr lange auf der To-do-Liste stand. Von diesen Aufgaben habe ich mich dann gleich verabschiedet. Oft verlieren Aufgaben ja auch an Wichtigkeit, bleiben aber trotzdem auf der Liste stehen.
Nachdem ich alle Aufgaben in den Kalender übertragen hatte, habe ich damit gearbeitet. Das war jetzt im Sommer relativ komfortabel, weil ich nicht so viele externe Termine, Workshops und Coachings gehabt habe. Auf diese Weise konnte ich das risikolos ausprobieren und meine Erfahrungen sammeln.
Das Experiment ging tatsächlich zunächst auch mal ganz gut. Doch dann ging gar nichts mehr…
Insgesamt waren es fünf Punkte, die das Vorhaben für mich bald scheitern ließen. Fünf Punkte, die jeder für sich nicht ausschlaggebend waren, in der Summe aber eben schon.
Deshalb funktioniert „Keine To-do-Liste“ für mich nicht
1. Die Verbindlichkeit steigt unabhängig vom Wert der Aufgabe
Sobald wir etwas in den Kalender schreiben, erhöht sich die Verbindlichkeit. Das ist natürlich nicht per se schlecht, hatte aber zur Folge, dass bei gewissen Aufgaben die Verbindlichkeit dann eigentlich zu hoch wurde.
So war ich z.B. an einer wichtigen Aufgabe, die mich und mein Business wirklich vorwärts bringt, und dann stand in meinem Kalender eine im Vergleich dazu nebensächliche Aufgabe an. Da diese Aufgabe nun im Kalender stand, bekam sie plötzlich ein sehr hohes Gewicht. Sie musste aber dort stehen, weil es ja keine To-do-Liste mehr gab, und vergessen wollte ich sie ja auch nicht. Dafür war sie dann doch nicht unwichtig genug.
Wir brauchen einen Ort, wo wir Einfälle schnell notieren können. Bei Getting Things Done (GTD) ist das die Inbox, der Eingangskorb. Es geht darum, dass man die Aufgabe nicht im Kopf behält. In einem zweiten Schritt müssen wir diese Inbox, diese Liste dann noch mal durchgehen und uns im Rahmen der Planung fragen, was ist jetzt/heute/diese Woche/diesen Monat das Wichtigste ist, das wir tun müssen. Dieser Filter hat mir bei meinem Experiment gefehlt. Was mir einfiel, musste ich sofort und direkt in den Kalender schreiben. So kam es, dass eher Nebensächliches plötzlich ein hohes Gewicht bekommen hat.
Ich persönlich bevorzuge es, Einfälle einfach mal auf eine Liste zu schreiben, und diese dann im Rahmen des Wochenrückblicks durchzugehen und mich bewusst zu fragen, ob diese Aufgabe nötig ist, ob ich die tun muss und will.
2. Der Kalender wird zum Stressfaktor
Plant man mit Time Blocking, gibt der Kalender den Rhythmus vor. Ist eine Aufgabe erledigt, steht schon die nächste an. Weil diese Termincharakter haben, wird man etwas durch den Kalender vorwärts getrieben. Ich kann damit sehr gut umgehen. Wenn nun aber plötzlich alles im Kalender steht, dann wird es auch mir ein bisschen zu viel. So habe ich mich während meines Experiments doch tatsächlich des Öfteren durch meinen Kalender gehetzt gefühlt.
3. Schnelle Einfälle werden langsam – oder gehen vergessen
Wenn mir etwas einfällt, dann muss ich das unbedingt aufschreiben, damit ich es nicht vergesse. Bei einer Aufgabenliste geht das blitzschnell – beim Kalender jedoch nicht. Hier muss ich zuerst in den Planungskalender wechseln, schauen, wann ich mich darum kümmern kann, die Aufgabe dann eintragen und schließlich noch die Zeit anpassen.
Damit ist die Hürde weit höher, als wenn ich den Einfall einfach nur auf eine Liste setzen und dann in Ruhe im Rahmen meiner Gesamtplanung berücksichtigen kann. Ich habe also die Wahl: Entweder mache ich dieses Prozedere trotzdem oder ich laufe Gefahr, den Einfall wieder zu vergessen. Das mag nicht bei jedem Einfall schlimm sein, manchmal aber eben schon.
4. Bei der Projektarbeit im Team wird’s schwierig
Meine Frau und ich haben die Sommerzeit genutzt, um unsere Positionierung noch mal zu schärfen. Dafür hatten wir ein kleines internes Projekt mit vielen kleinen Aufgaben, die zum Teil ich machen musste, zum Teil meine Frau. Damit wir da den Überblick behalten haben, mussten wir, Experiment hin oder her, trotzdem eine To-do-Liste führen.
Wir haben das zwar ganz einfach gehandhabt, wir haben nämlich eine Aufgabenliste in unserem geteilten Notizbuch geführt. Dennoch war es eine Liste, die dazu geführt hat, dass nun gewisse Aufgaben halt doch außerhalb meines Kalenders standen und berücksichtigt werden mussten.
Arbeiten mehrere Personen an einem Projekt, wird es definitiv schwierig ohne To-do-Liste. Denn hier sollten alle den Überblick behalten können über die Aufgaben, darüber, wer was bis wann macht, sowie wo man im Projekt gerade steht. Das alles lässt sich im Kalender nicht wirklich einfach und praktikabel abbilden – bei kleinen Projekten nicht und bei größeren schon gar nicht.
5. Kleinstaufgaben im Kalender verwalten ist mühsam
Bei mir gibt es täglich ganz viele kleine Aufgaben, die zwar nicht lange dauern, die aber erledigt werden müssen. Zum Beispiel schalte ich nach meinen Coachings jeweils die Videoaufzeichnung für meine Kunden frei. Das dauert nicht lange, muss aber erledigt werden.
Ich habe dann im Rahmen meines Experiments versucht, das im Kalender so abzubilden, dass ich einen Block für „Administratives“ reserviert habe, wo ich diese Kleinstaufgaben dann reingeschrieben habe. Habe ich von diesen Dingen dann doch nicht alle erledigt bekommen, musste ich die wieder neu im Kalender an eine andere Stelle übertragen. Auch das entpuppte sich als nicht wirklich praktikabel.
Einzeln betrachtet, sind diese fünf Punkte nicht wirklich tragisch. Zusammengenommen haben sie für mich das Experiment „Keine To-do-Liste“ aber zum Scheitern gebracht. Summa summarum hat das bei mir nämlich dazu geführt, dass ich das Gefühl von Sicherheit, das Gefühl, alles im Griff zu haben, verloren habe. Das fühlte sich für mich dann letztlich als Stress an.
So bin ich also hingegangen, hab das Experiment für mich als gescheitert abgehakt, und organisiere mich jetzt wieder wie früher, aber um eine Erfahrung reicher.
So funktioniert’s für mich
Ich habe wieder meine klassische Aufgabenliste mit an die 150 Aufgaben. Hier stehen all die Dinge, die ich tun könnte. Im Rahmen der Planung entscheide ich dann, welche ich tatsächlich tue. Meine To-do-Liste ist daher gefühlt eher eine Art Backlog oder – wie ich sie nenne – eine „Might-do“-Liste. Das nimmt Druck aus der ganzen Geschichte raus.
Seit ich das wieder so mache, fühle ich mich wieder sicher. Ich habe die Fäden wieder in der Hand und der Stress ist deutlich weniger geworden. Letzterer hatte in diesem Fall nichts mit den Aufgaben zu tun, sondern einzig und allein mit dem Handling.
Was funktioniert für dich?
Ich habe für mich mein Fazit aus meinem kleinen Experiment gezogen. Bei dir kann das selbstverständlich ganz anders ausfallen.
Ich möchte dich dazu ermutigen, selber auf die Suche zu gehen, was für dich funktioniert und was nicht. Was bist du für ein Typ Mensch? Was brauchst du? Was brauchst du nicht?
Lass dir von keinem Trainer oder Coach sagen: „Das System hier ist das allein selig machende Mittel und damit bekommst du alles in den Griff.“ Denn so einfach ist es nicht. Es kommt so sehr darauf an, was du gerne machst, welchen Job du eigentlich machst, welche Anforderungen dein Job mit sich bringt und was für dich persönlich funktioniert.
Wenn du dich nicht alleine auf die Suche machen willst, um herauszufinden, was für dich funktioniert, dann helfe ich dir gerne dabei.
In meinem Online-Workshop „Arbeite klüger – nicht härter“ richten wir deine individuelle Arbeitsorganisation ein. Das ist möglich in der Gruppe über mehrere Wochen verteilt, intensiv an einem Wochenende oder auch 1:1 mit mir allein.