Ist man im Internet unterwegs, hört Podcasts und schaut YouTube-Videos, bekommt man schnell den Eindruck, dass es da ganz viele Leute gibt, die genau wissen, wie „es“ geht. Sie wollen dir erklären, was du jetzt zu tun hast, um abzunehmen, um erfolgreich zu sein, um ein besseres Zeitmanagement zu haben oder um eine Schippe drauflegen zu können.
Auf der anderen Seite gibt es aber auch das Publikum dafür, denn alle wollen wissen, wie „es“ geht. Sind wir ganz ehrlich, dann sind wir doch alle immer noch auf der Suche nach dem einen ultimativen Rezept, nach dem einen ultimativen Tool, nach der einen ultimativen Checkliste, die uns ganz genau sagt, was wir tun müssen, damit „es“ besser wird und wir erfolgreicher sind.
Ich nehme mich selbst da überhaupt nicht heraus. Natürlich sage ich dir auch häufig, was du tun solltest oder zumindest was meine Empfehlung ist. Dennoch betone ich ja nicht selten:
„Gut ist, was für dich funktioniert.“
Es gibt selten ein Rezept, das für alle passt. Solche Erfolgsrezepte sind nämlich zu kurz gedacht und spiegeln dir auch ein falsches Bild vor.
Meistens ist eben auch der „Erfolg über Nacht“ nur das Resultat eines längeren Prozesses und von harter Arbeit. Die sieht man aber nicht, sondern nur den „Erfolg über Nacht“.
Dieser Eindruck entsteht, weil wir mindestens zwei Verzerrungen unterliegen.
Zwei davon möchte ich dir vorstellen, damit du all die Informationen, die du da draußen bekommst, besser einschätzen kannst und besser entscheiden kannst, was denn nun für dich Sinn macht.
Survivorship Bias
Diese verzerrte Wahrnehmung stammt daher, dass Erfolge überschätzt werden und stärker sichtbar sind als Misserfolge (siehe Erklärung in der Wikipedia).
Ein Beispiel: Die Briten haben im Zweiten Weltkrieg die Militärflugzeuge genau dort verstärkt, wo es am meisten Einschusslöcher hatte. Das hat jedoch nichts gebracht. Warum? Die Flugzeuge, die so schwer getroffen wurden, dass sie abgestürzt sind, kamen ja nicht zur Basis zurück und konnten nicht untersucht werden. Diejenigen, die zurück kamen, haben eigentlich bewiesen, dass da, wo sie getroffen wurden, nicht der kritische Ort ist, der ein Flugzeug zum Absturz bringt. Eigentlich hätte man die Flugzeuge dort verstärken müssen, wo sie eben nicht getroffen worden sind.
Ein Beispiel aus der Businesswelt: In der Statistik und der empirischen Soziologie weiß man mittlerweile, dass Umfragen zur allgemeinen Kundenzufriedenheit etwas heikel sind. Kunden, die eine positive Haltung zum Unternehmen haben, geben eher ein Feedback ab. So entsteht ein verzerrtes Bild.
Aufgrund dieses Survivorship Bias sind also meistens diejenigen sichtbar, die es geschafft haben und erfolgreich sind. Nicht zuletzt, weil man einfach auch lieber über seine Erfolge spricht als über Misserfolge.
Und bei diesen sichtbaren Erfolgsfällen geht man dann schnell davon aus, dass man dasselbe Resultat bekommt, wenn man denselben zehn Schritten folgt. Das wird häufig auch so suggeriert. Dabei ist das eine Verkürzung der Sichtweise, weil wir uns rückblickend Dinge zusammenreimen und auch gewisse Faktoren komplett ausblenden.
Post hoc ergo propter hoc
Übersetzt heißt das „danach, also deswegen“.
Hier stellt man eine Kausalität fest, wo gar keine besteht (ausführlicher in der Wikipedia nachzulesen).
Beispiele:
„Heute früh bin ich mit dem linken Fuß aufgestanden und danach fiel mir prompt die Kaffeetasse aus der Hand.“
„Seit ich das Tool xy nutze, bin ich viel produktiver.“ Das kann sein, muss aber nicht. Es könnte ja auch sein, dass du ein neues Tool gesucht hast, weil du gemerkt hast, dass du da ein Problem hast. Das heißt, du hast deine Aufmerksamkeit auf deine Produktivität gerichtet und bist schon allein deshalb bereits viel produktiver – unabhängig vom Tool xy.
Häufig stellen wir eine Kausalität her zwischen zwei Dingen, die zufällig gleichzeitig auftreten. Es sind also eigentlich Korrelationen und gar keine Kausalitäten.
Dasselbe kann passieren, wenn ich auf mein bisheriges Leben zurückblicke. Ich kann ganz genau sagen, welches die Schritte sind, die mich hierher gebracht haben. Und ich bin sicher, dass ich bei ein paar Schritten eine Kausalität herstelle, die es eigentlich gar nicht gibt.
Deshalb ist es heikel, wenn ich mich hinstelle und dir sage: „Mach’s genau wie ich, dann bekommst du dasselbe Resultat.“
Vermutlich stelle ich nämlich eine Kausalität her, die es gar nicht gibt. Und dann kommt ja noch der Survivorship Bias hinzu, der meine Wahrnehmung eventuell zusätzlich verzerrt.
Zusammengenommen ist damit die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass mein Weg für dich gar nicht funktionieren kann.
Es wird sogar noch heikler, wenn ich dir dann sagen würde, dass der Fehler bei dir liegt, weil du die Schritte halt nicht korrekt befolgt oder die Methode oder das Tool nicht richtig umgesetzt hast.
Was für mich funktioniert, funktioniert für dich vielleicht gar nicht. Und das ist auch völlig in Ordnung. Du bist eingeladen, deinen eigenen Weg zu suchen.
Höre bei allen Ratschlägen und Empfehlungen deshalb immer mit einem kritischen Ohr zu und überlege dir genau, ob das für dich funktionieren kann.
Das gilt auch für meinen Bereich Produktivität, Zeitmanagement und mehr. Auch hier geht es darum, Dinge auszuprobieren, die für dich funktionieren könnten. Alle Empfehlungen, alle Dinge, die du hörst oder liest, sind nur Startpunkte.
Verspricht dir jemand „die ultimative Methode“, solltest du lieber aufpassen. Funktioniert es dann bei dir nicht, wird man dir sagen, dass du es einfach nicht richtig machst.
Lass dich lieber vom Satz leiten: „Gut ist, was für dich funktioniert.“
Es kommt nicht darauf an, was für mich funktioniert oder was für einen anderen Trainer oder Coach funktioniert. Was für dich funktioniert, ist relevant.
Das kann etwas völlig anderes sein, als ich umsetze. Das kann auch etwas sein, was all dem widerspricht, was ich sage.
Wenn etwas für dich funktioniert und du zufrieden damit bist, das aber allen Methoden und Tipps widerspricht, dann ist das Grund genug, die Methoden und Tipps anzupassen, aber sicher nicht deine Praxis. Entscheidend ist immer deine Praxis und gut ist eben, was für dich funktioniert.
Funktioniert etwas hingegen nicht so gut, dann darfst oder solltest du das genauer unter die Lupe nehmen.
Bist du ein Büffel oder eine Kuh?
Dazu eine kleine Geschichte:
Wenn ein Sturm aufzieht, dann spüren Kühe das und rennen weg, weil sie nicht nass werden wollen. Die meisten Stürme sind aber schneller als Kühe rennen können. Irgendwann werden die Kühe dann vom Sturm eingeholt. Dann rennen sie mit dem Sturm und werden so nass wie nur irgendwie möglich.
Büffel sind schlauer. Diese warten auf den Sturm und rennen dann auf ihn zu. Sie rennen direkt in den Sturm hinein und werden so viel weniger nass, weil der Sturm über sie hinweg zieht und sie selbst ja in die andere Richtung rennen.
Viele Menschen sind wie Kühe. Sie ignorieren ein Problem oder rennen davon weg, aber werden immer wieder vom Problem eingeholt. Sei deshalb lieber wie ein Büffel.
Wenn du ein Problem mit deinem Zeitmanagement hast oder wenn du spürst, dass noch mehr in dir steckt, als du momentan umsetzt, dann stelle dich jetzt diesem Problem.
Schau das Problem genau an und entwickle dann eine Lösung, die für dich passt.
Mach das selbst oder lasse dir von einem erfahrenen Coach helfen, der mit dir zusammen nach der Lösung sucht, die für dich funktioniert. Im letzteren Fall geht es einfach viel schneller, weil der Prozess zielgerichtet ist und du nicht in die Falle deiner blinden Flecken tappst.
Ein guter Coach wird dir auch nicht eine fertige Lösung präsentieren – auch wenn du dir das vielleicht wünschst. Aber ehrlicher ist es, wenn er mit dir zusammen deine Lösung entwickelt. Der Coach kann dies sehr rasch und zielgerichtet tun, wenn er viel Erfahrung mitbringt. Doch die Lösung am Ende wird deine Lösung sein.
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