#107: Neugierig bleiben und sich doch fokussieren [Podcast]

Die Welt ist einfach unglaublich spannend! Wir alle haben ganz viele Interessen und es gibt unglaublich viel zu entdecken.

Dabei ist es nicht einfach, sich trotzdem zu fokussieren, nämlich auf die wichtigen Dinge und die Dinge, die dich und dein Business voran bringen.

Hier interviewe ich jemanden, der diesen Spagat bestens kennt. Er hat ihn für sich aber auch gut eingeübt, so dass er die Vorteile beider Welten hat – nämlich eben den Neugier und des Fokus.

Freu dich auf ein Gespräch mit Maik Pfingsten.

Neugierig bleiben und sich doch fokussieren

In diesem Interview erzählt dir Maik…

  • wie er Lean und Kaizen im Alltag einsetzt;
  • wie ihm Kanban hilft, sich auf das Wichtigste zu fokussieren;
  • ob es noch etwas gibt, das ihn wirklich stresst.
  • weshalb ihm die Tauschqualität seiner Zeit immer wichtiger wird;
  • und natürlich noch vieles mehr! :-)

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Das Interview mit Maik zum Nachlesen

Ivan Blatter: Hallo Maik.

Maik Pfingsten: Hallo Ivan, grüße dich.

Ivan: Schön bist du hier. Stell dich doch am besten selbst kurz vor.

Maik: Was bin ich, wer bin ich? Mein Name ist Maik Pfingsten, von Haus aus bin ich ursprünglich Systemingenieur. Das heißt, ich habe mal die Ausbildung zum Ingenieur genossen und sie 2000 abgeschlossen. Danach habe ich erst einmal eine Zeitlang Software in Autos hineinprogrammiert, das war so mein erster Job nach dem Studium. Ich bin aber schon in meiner Zeit in der Lehre sehr stark infiziert worden von der Idee, Unternehmer zu sein, selbständig zu sein, irgendetwas in diese Richtung zu machen. So bin ich dann 2005 aus dem Angestelltenverhältnis ausgestiegen und habe zehn Jahre als Serial Entrepreneur, Freiberufler, Troubleshooter, Projektretter in der Automobilentwicklung als Systemingenieur, Projektleiter heute im Grunde mein Setting als Solopreneur gefunden. Also das ist im Grunde das, was ich bin. Ich liebe Systeme, ich baue im Grunde hier als Solopreneur Business-Systeme ins Netz, so wie ich es früher als Entrepreneur in der physischen Welt gemacht habe.

Ivan: Wovon lebst du denn heute hauptsächlich, von Beratungen und Coachings? Oder was verkaufst du?

Maik: Ich lebe aus einer Mischung von passiven Einnahmeströmen und aktiven Einnahmeströmen. Ich liebe es sehr, mit Menschen in Kontakt zu sein und mich auszutauschen. Entsprechend mache ich heute noch sehr viel Mentoring, gerade im Ingenieursbereich, wo ich große Firmen wie Hilti und Zeiss als Mentor in der Entwicklung begleite. Jemand, der quasi zehn Jahre lang Entwicklungsprojekte in der Automobilindustrie gerettet hat, der hat viel Erfahrung. Das heißt, ich habe viel gesehen. Ich wollte auch extra raus, wie ein Handwerkergeselle auf Wanderschaft auf die Walz, und dementsprechend habe ich viel erlebt und viel erfahren. Und das ist genau das, was sich heute viele meiner Kunden als Mentoring holen. Sie sagen, bevor sie zwei, drei Jahre lang selbst versuchen, das irgendwie auf die Kette zu kriegen mit dem Systems Engineering und dem ganzen Drumherum, fragen sie lieber den Maik. Das mache ich allerdings mittlerweile fast ausschließlich virtuell. Wir treffen uns also nicht persönlich, sondern das läuft über einen längeren Zeitraum webbasiert. Das ist ein Einnahmestrom. Und was ich wahnsinnig gerne mache, das ist, Events zu organisieren, Barcamps zu organisieren für Communities. Das ist ein zweiter aktiver Teil, wo Geld hereinkommt, wo Geldströme fließen. Ich bin Speaker, ich habe meine Speaking Gigs, womit ich Geld verdiene. Ich habe Bücher, ich bin Autor und habe mehrere Bücher geschrieben, da kommt auch Geld rein. Und damit kommen wir so in diesen passiven Teil, wo ich im Grunde über die Sachen im Netz viel mit Communities, viel mit dem Podcasten und Memberships und so weiter eben mein Geld heute verdiene und dabei viel Spaß habe.

Ivan: Wenn ich dir jetzt hier nur die vergangen zwei, drei Minuten zuhöre, dann bist du unglaublich breit aufgestellt, eben mit passiv-aktiven Einkommensströmen in den verschiedensten Bereichen. Und das scheint mir fast wie so ein kleines Muster zu sein. Auch, wenn ich auf deine Biographie schaue, vom Lehrling über den Studenten zum Angestellten, zum Troubleshooter mit Führungserfahrung, auch international, zum Unternehmer, und jetzt schließlich zum Solopreneur. Ist das so ein Muster, das sich bei dir durchzieht? Und hast du das Gefühl, “doch, jetzt bin ich mal angekommen? Es kann sich wieder ändern, aber jetzt bin ich mal angekommen, jetzt bin ich da, wo ich sein will?”

Maik: Ich sage mal, ein Antrieb bei mir ist die Neugier, im positiven Sinne neugierig zu sein. Mich faszinieren Systeme und neue Dinge, neues Wissen, und ich liebe es, mich da hineinzubegeben wie ein Testfahrer, wie ein Scout oder was auch immer, das zu erforschen, zu verstehen, zu gucken, wo sind die Grenzen, was kann man mit diesem System machen? Wie funktioniert dieses System, wie bekomme ich es runtergebrochen, so dass es einfach und simpel funktioniert und so weiter? Und das habe ich gemacht als Softwareingenieur, das habe ich gemacht als Systemingenieur, das habe ich gemacht als Troubleshooter mit extrem großen, international verteilten Teams mit über 100 Leuten. Das habe ich als Entrepreneur gemacht, und das mache ich heute als Solopreneur. Das heißt, das zieht sich so ein bisschen durch meine ganze Biographie, und eben diese Neugier für Menschen, für Systeme und wie das Ganze funktioniert. Breit aufgestellt – ja, da gebe ich dir in einem Punkt Recht, es sind verschiedene Themen, die mich parallel interessieren. Das ist dieses Thema “Neugier”, wobei ich immer gucke, dass es nicht zu viele werden, dass ich mich nicht verfranse. Auf der anderen Seite sind die Themen, die ich dann schiebe, wirklich hochgradig in der Nische. Ein Beispiel: Aus diesem ganzen Bereich Systemingenieur, Systems Engineering, da habe ich eine Nischenseite, die heißt lastenhefterstellen.de. Das ist so was von Nische in der Nische in der Nische in der Nische… aber es macht riesig Spaß! Sowohl vom Erleben wie aber auch vom Wirtschaftlichen und von dem her, was ich da so treibe. Das ist etwas, was mich reizt – ausprobieren, Neues lernen!

Ivan: Das zeigt sich auch ein wenig bei deinen Podcasts. Du bist ja einer der Podcaster, die mehrere Kanäle, mehrere Podcasts führen. Ich muss ehrlich sagen, ich habe ein wenig den Überblick verloren, ich glaube, du hast zwei oder drei Podcasts? Weshalb podcastest du so viel, steckt da auch diese Neugier dahinter, dich einfach in verschiedene Themen einzudenken?

Maik: Ja, angefangen hat es eigentlich wirklich wieder mit dem Thema “Neugier”. Ich war damals noch in meiner aktiven Zeit wahnsinnig viel als Troubleshooter unterwegs. Und dann landest du irgendwo an irgendeinem Flughafen, springst in irgendeinen Mietwagen, und mein allererstes Problem war damals 2009, also bis 2009 war das ungefähr, die Situation, dass ich die Radiosender in der Gegend nicht kannte. Ich wusste nicht, was an diesem Ort dem entspricht, was ich im Kölner Raum in Nordrhein-Westfalen hören würde. Hier ist es WDR 5, das ist bei uns Gesellschaft, Kultur, Technik, Politik. Wenn ich dann irgendwo im deutschsprachigen Raum unterwegs war, habe ich nach Radiosendern gesucht. Also Bayern ist zum Beispiel schon ganz anders als Nordrhein-Westfalen, und wenn man im Norden landet, ist es nochmal anders, und wenn man dann sogar über die deutschen Grenzen hinausgeht, wird es noch trickiger herauszufinden, was sind denn die Radiosender? Denn ich bin oft noch eine Stunde gefahren, zum Kunden, zum Projekt, wo immer ich auch hin wollte. Und damals bin ich zu der Zeit über einen Podcast gestolpert, der sich “Raumzeit” nennt. Das ist ein Podcast vom DLR, und da geht es um Weltraum, Weltraumphysik, Technik, Wissenschaft, alle möglichen Sachen. Und wie gesagt, diese Themen interessieren mich, und so bin ich auch völlig fasziniert von dem ganzen Thema “Weltraum”. Und das war einfach genial, da war plötzlich ein Podcast-Kanal, auf dem es wahnsinnig viel interessantes Wissen für mich gab. Und ich stellte relativ schnell fest, “hoppla, das kann ich mir auf mein Smartphone ziehen”, das heißt, ich habe nicht mehr das Problem, dass ich irgendwo lande und keinen Radiosender finde. Im Gegenteil, es ist völlig egal, was im Radio gespielt wird, ich höre mir meinen Podcast an. Beim Radiohören war es hingegen immer so, genau dann, wenn ich auf dem Parkplatz des Kunden angekommen bin, kam ausgerechnet das Feature, was ich hören wollte – um fünf vor elf, und um elf hatten wir Meeting! Ich war in Gegenden unterwegs, da kannte ich die Sender nicht, das heißt, nachzuhören, das war auch ausgeschlossen, denn ich hatte später vergessen, welcher Sender das war. Und plötzlich hatte ich eine Pause-Taste, und wenn ich aus dem Meeting raus war und wieder ins Auto stieg und zurück zum Flughafen fuhr, dann konnte ich “Play” drücken und weiterhören. Und so bin ich Hörer geworden und habe dann auch relativ schnell festgestellt, hoppla, so ein Podcast sendet ein Tim Pritlove, das ist einer der bekanntesten, altgedientesten Podcaster hier in Deutschland, und der kommt auch nicht aus dem Radioprofi-irgendwas-Umfeld, das ist ein ganz normaler Mensch wie du und ich! Der einfach diese Interviews führte, mit den Wissenschaftlern vom DLR, das war eine Auftragsarbeit von ihm. Und dann habe ich mich da hineingefuchst und mich gefragt, was ich dafür brauche. Ein Freund von mir sagte, “da brauchst du einen Rekorder, 200,- Euro und damit kannst du anfangen, der Rest ist free”. WordPress und so weiter, darum musste ich mich natürlich kümmern, aber man hat keine unglaublichen Summen an Geld, die man investieren muss. Und so habe ich angefangen. Und dann habe ich gesagt, “was mache ich? Okay, Troubleshooter-Wissen, Systemingenieur-, Projektleiter-Wissen, einfach mal so eine schwarze Kugel hineinquatschen, mal gucken, was dabei herumkommt. Und dabei relativ schnell auch in meine Themen, weil ich immer wieder nach Buchempfehlungen gefragt wurde oder warum eine gewisse Methode funktioniert hat. ”Und wie hast du denn dies und jenes geschafft, Maik, da mit dem Team in Ägypten in der Militärkrise…“ und so weiter und so weiter. Und jetzt konnte ich plötzlich sagen, ”höre dir einfach Episode 10 an“. Und das fand ich faszinierend, dass ich mein Wissen da hineinkippen konnte, was für mich zur Erkenntnis führte, ”Moment mal, wenn ich von dieser Welt gehe, bleibt dieses Wissen erhalten“. Und das motiviert mich bis heute zum Podcasten, und das ist auch mit ein Grund, warum ich so wahnsinnig viele verschiedene Kanäle habe, weil ich einfach mein Wissen dort hineinkippe oder Wissen zusammentrage.

Ivan: Und welche Kanäle hast du?

Maik: Klar, “Zukunftsarchitekten”, das ist der Systemingenieur, der Systems Engineer im Leadership-Podcast, wo es um die ganzen Themen für Systemingenieure und Projektleiter geht. Dann habe ich den “Lifestyle-Entrepreneur”, das ist quasi das zweite aktive Projekt. Ich habe zehn Jahre Erfahrung in den allerwildesten Situationen mit den verrücktesten Erlebnissen hinter mich gebracht und habe gesagt, dass ich dieses Wissen gerne damals vor zehn Jahren gehabt hätte. Und mit genau dieser Motivation habe ich den Lifestyle-Entrepreneur angeschoben, also vom Freiberufler zum Solopreneur mit den ganzen Umwegen, die man da so macht als Serial Entrepreneur, habe fünf Firmen gegründet und wieder zugemacht, Insolvenz angemeldet und allen möglichen Erfahrungen. Dann gibt es den PechaKucha-Podcast, da habe ich mein Speaker-Wissen reingekippt. Dann gibt es noch einen experimentalen Podcast, der heißt Systems Camp Radio, da habe ich versucht, ein Barcamp audiomäßig zu dokumentieren, das hat ganz gut funktioniert. Gut im Moment, weil wir dann im ganzen Format des System Camps herumbasteln. Und es gibt noch den Robotiklabor-Podcast, das ist ein Podcast für die Maker-Szene rund um das Thema “Robotik und Basteln”. Da bin ich Co-Host und quasi als Ingenieur der eingeladene Erklär-Bär der Technik.

Ivan: Erklär-Bär (lacht), sehr schön! Auch hier zeigt es sich wieder: sehr breit aufgestellt, viele Interessen. Ich sehe zwar und erahne einen gewissen roten Faden, es hat alles auch etwas mit deinen Erfahrungen zu tun und auch wieder mit deiner Neugier. Schlussendlich kommt doch vieles zurück auf die Technologie, auf deine Technikbegeisterung und den Ingenieur, der du bist. Bei uns in der Schweiz spricht man das “ingénieur” aus (lacht), eben der Ingenieur, der du bist, also den spürt man natürlich in deinen Podcasts und deinen Podcast-Kanälen. Wobei, nicht jeder Podcast richtet sich irgendwie an Ingenieure, gerade der Lifestyle-Entrepreneur-Podcast, der richtet sich überhaupt nicht nur an Ingenieure, sondern an Solopreneure ganz generell.

Maik: Genau.

Ivan: Aber ich sehe den roten Faden so langsam dahinter. Es stellt sich aber natürlich trotzdem die Frage, wie schaffst du es denn, dich auf das wirklich Wichtige zu fokussieren, das Wichtige in deinem Business, in deinem Leben? Hast du irgendwelche Tipps und Erfahrungen?

Maik: Was ich schon immer gemacht habe, das ist, dass ich Dinge ausprobiere. Ich probiere, wie Dinge “funktionieren”. Und ich bin an dem Punkt extrem pragmatisch, relativ schnell habe ich für mich eine erste Erkenntnis. Das kann für mich funktionieren, das kann mir helfen oder ich habe die Situation, dass ich sage, dass etwas vielleicht für andere unglaublich gut funktioniert, aber irgendwie bei mir nicht passt. Und so probiere ich wahnsinnig viele Sachen aus, gerade, wenn es darum geht, wie ich meine Zeit und meine verschiedenen Ideen und mich selbst organisiert bekomme. Und dieses Ausprobieren ist für mich ein kontinuierlicher Bestandteil zu gucken, was macht Sinn? Und damit verbunden, was mich schon immer auch nicht nur Ingenieur wahnsinnig interessiert hat, das sind die zwei Schwerpunkte “Lean” und “Kaizen”. Das sind Prinzipien aus dem japanischen Kontext, Toyota hat sie damals entwickelt. Bei “Lean” geht es darum, möglichst smarte Sachen, Systeme, Dinge, Produkte, Unternehmungen, Geschäftsmodelle – was auch immer – zu fahren, zu bauen. Und “Kaizen” bedeutet eben zu gucken, im Deutschen nennen wir das einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess, wobei dieses Wort ein bisschen angestaubt ist, dass man “Waste” vermeidet. Also sprich, wenn ich Dinge tue, dass ich sie möglichst so tue, dass ich mit einem extrem wertvollen Output hinten herauskomme, ohne vorne unglaublich viel hineingesteckt zu haben. Ich weiß, jetzt schreien wieder alle, “ja, ja, minimaler Input, maximaler Output”, wir wissen, dass das technisch so nicht realisierbar ist, aber zumindest mal zu gucken, wie kann ich möglichst viel weglassen? Ich probiere Dinge aus und entscheide relativ schnell, mache ich das oder lasse ich es weg? Und ich gehe auch schon immer konsequent die Sachen durch, auch damals in meiner Angestelltenzeit war das bereits ein Teil meiner Prinzipien, kontinuierlich durch die Sachen hindurchzugehen, die ich tue und zu schauen, was ich weglassen kann. So habe ich jetzt zum Beispiel ein wahnsinnig spannendes Experiment gestartet, ein Barcamp zu organisieren mit einem Minimaleinsatz, also wirklich extrem lean umgesetzt. Ich habe so viel Erfahrung darin, Barcamps zu machen, und wir haben immer das ganz große Rad gemacht, mit allem Drum und Dran. Egal, was uns eingefallen ist, wir haben es auch noch umgesetzt. Und irgendwann war ich an einem Punkt, dass es mir eigentlich zu viel wurde. Es war zu kompliziert, denn ich liebe es wirklich einfach, die Dinge einfach zu machen, das ist die spannende Herausforderung. Eines davon setzen wir beide ja zusammen mit Bernd um, das ist das Leadership-Camp, Barcamp, was wir auch nach diesem Ansatz fahren. Aber eben das andere, das ist das Business-Podcast-Barcamp, und das funktioniert unglaublich toll. Und das ist es, was mich immer wieder reizt, Dinge einfach zu machen.

Ivan: Und wie organisierst du deine Aufgaben? Ich nehme an, da zeigen sich diese beiden Prinzipien “Kaizen” und “Lean” natürlich auch?

Maik: Ich habe viel mit To-do-Listen, Zeitmanagementsystem und allem Möglichen herumexperimentiert. Und immer, wenn ich über irgendetwas gestolpert bin, habe ich mir das besorgt, habe versucht, es mir so weit anzueignen, dass ich auf einer pragmatischen Ebene beurteilen kann, ob ich mich weiter hineinvertiefen will oder ob es mir nicht weiterhilft. Und in diesem Kontext habe ich etwas gefunden, was für mich eines der wertvollsten Hilfsmittel ist, und das ist Thema “Kanban”. Ich weiß nicht, inwieweit dieser Begriff bekannt ist oder ob du in deinem Podcast schon einmal darüber geredet hast?

Ivan: Ich glaube nicht. Ich hatte mal einen Gastartikel, ich kennen diesen Begriff, das System, aber vielleicht kannst du das hier in zwei Sätzen zusammenfassen?

Maik: “Kanban” basiert auf zwei Grundprinzipien. Das eine Grundprinzip ist der so genannte “Pull-Mechanismus”, das bedeutet, ich kann eine Aufgabe nur dann als nächste Aufgabe an mich heranziehen, wenn Platz dafür frei ist. Und das Zweite ist, wir erzeugen bewusst in einem Kanban durch ein Prinzip, das nennt sich “Work in Progress-Begrenzung”, einen Engpass. Und das basiert auf der Engpass-Theorie von Ellrott (? unverständlich ) und bedeutet im Grunde, ich werde gezwungen, meine Aufgaben erst einmal abzuschließen, bevor ich die nächste Aufgabe anfange. Das ist ein ganz vereinfachter Kontext des Kanban, das kommt auch von Toyota, Produktionsingenieure kennen das seit Jahrzehnten. Im Kontext des Entwicklungsprojektmanagements ist es in den letzten fünf Jahren bekannter geworden. Und davon gibt es eine Abwandlung, die nennt sich “Personal Kanban”, das heißt im Grunde, das jetzt nochmal weiter übertragen auf die persönliche Selbstführung, Selbstorganisation. Das hilft mir am allerbesten als Vorgehensweise. Ich bin da aber auch nicht dogmatisch, also ich nutze auch das wiederum extrem pragmatisch in der Umsetzung.

Ivan: Hier hört man jetzt natürlich wieder den Systemingenieur, der so ein System, eben das Kanban, sieht und es auseinandernimmt. Der schaut, wie es wirklich funktioniert und es dann in wirklich zwei, drei Sätzen erklären kann, “schau, hier habe ich Prinzip 1, Prinzip 2, so wird es umgesetzt. Dann gibt es noch diese Personal-Ebene vom Kanban, so!” Sehr, sehr klar und schön erklärt, vielen Dank dafür. Maik als Systemingenieur, wie er leibt und lebt, wunderbar! (Lacht)

Maik: (Lacht) Danke!

Ivan: Und wie setzt du dann dein Personal Kanban um? Hast du ein Whiteboard oder irgendetwas an der Wand kleben? Oder nutzt du irgendwelche Software-Tools dafür?

Maik: Ursprünglich habe ich mal als Troubleshooter angefangen, Kanban überhaupt erst in Projekten einzusetzen, weil wir neben diesen Prinzipien eine Visualisierung haben. Und diese Visualisierung hat geholfen, denn dort waren Entwicklungsleiter, die mich für viel Geld in ihr Projekt reingeholt haben, wie so einen Feuerwehrmann, der ihre Projekte retten soll. Und was mache ich als Troubleshooter? Kommunikation ist das Wichtigste! Strategie und Kommunikation, Entscheidung und Menschen führen, also wirklich auch im Sinne von Leadership. Und das eben in diesen doch verteilten Teams bedeutet, dass ich eigentlich so gut wie nie an dem mir zugewiesenen temporären Arbeitsplatz im Entwicklungszentrum saß. Und das führte eigentlich immer zu dem großen Problem, dass die Entwicklungsleiter sagten, “jetzt bezahlen wir den Pfingsten für viel teures Geld, und der ist nie da. Was macht der eigentlich?” Und dann bin ich über Kanban gestolpert und habe mir bei den Maschinenbauingenieuren aus dem Plotter solche großen Endlospapierstücke herausgezogen und habe sie einfach an die Rückwand von einem Schrank gedübelt, der als Trennwand im Gang stand. Und darauf habe ich mein erstes Kanban gemalt, so richtig schön mit Post-it. Und dann sind die gewandert, und es war ganz toll. Wir hatten die Visualisierung, wir konnten darüber diskutieren, wir hatten die Engpässe, und es gab plötzlich eben auch nicht mehr das Problem, dass der Entwicklungsleiter Dr. Müller-Meier-Schmidt fragte, “Pfingsten, wo bist denn du?” Sondern er sah die Zettel wandern und sagte, “na ja gut, wenn die Zettel wandern, dann wird der Pfingsten hier vorbeigekommen sein und die Zettel umgehangen haben”. Das ist im Grunde die Papierversion, die habe ich dann allerdings in meinem Personal Kanban so nie umgesetzt, weil ich sehr viel auf Reisen bin, und ich kann nicht dauernd eine Rolle Papier mit Klebezetteln in meinem Rucksack durch die Gegend fahren und abends im Hotel wieder aufrollen, an die Wand kleben und dann weitermachen. Dementsprechend habe ich früh nach Lösungen gesucht, und da bin ich über Trello gestolpert beziehungsweise, Trello kannte ich vorher auch schon, wir haben es in diesen verteilten Projekten vorher auch schon genutzt. Und ich habe das Ganze dann für mich so umgebaut und eingesetzt, also “umbauen”, dieses Wort ist zu groß, ich habe es entsprechend angepasst und eingerichtet, genau, “eingerichtet”, das ist vielleicht das bessere Wort, ich habe es also so eingerichtet, dass es mein Personal Kanban abbildet. Und das Schöne bei Trello ist eben, dass es auf allen Plattformen und allen Geräten läuft. Es läuft webbasiert, das heißt, selbst, wenn ich gar keines meiner eigenen Geräte in der Nähe hätte, bräuchte ich eigentlich nur einen Rechner, auf dem ich mich in mein Personal Kanban Notebook einloggen kann.

Ivan: Das ist der ganz große Vorteil von vielen modernen Lösungen, sei es Trello, Todoist oder Asana oder weiß der Geier was, eben dass du dich auch über jeden normalen Browser, zur Not auch mal über einen Computer in der Hotellobby einloggen und schauen kannst, was muss ich eigentlich noch tun, was steht an? Das ist ein großer Vorteil.

Maik: Was ich bei allen diesen Tools gut finde, ich habe ein Prinzip, an dem ich auch immer versuche, dranzubleiben, das nennt sich “Inbox Zero”. Das heißt, ich versuche abends, meinen Eingangsordner des E-Mail-Postfachs leer zu haben. Was aber nicht bedeutet, dass ich alle E-Mails fertig abgearbeitet habe, sondern es gibt E-Mails, die ich mal eben mit zwei Sätzen beantworten kann, darauf antworte ich sofort, und dann wandern die ins Archiv. Aber es gibt auch E-Mails, bei denen eine längere Beschäftigung mit dem was-auch-immer-Thema notwendig wird, eine längere Antwort oder nochmal hineindenken oder abstimmen oder so etwas. Und das Schöne ist, das bilden Trello und wahrscheinlich die anderen webbasierten Tools in der Regel auch alle ab, ich kann eine E-Mail weiterleiten an eine Adresse, wo sie dann später wieder als Kärtchen im Kanban oder als Aufgabe in Todoist oder so wieder auftaucht. Und das ist eben schön, ich habe jetzt plötzlich die Möglichkeit, wie so ein DJ alles in die richtige Ecke zu verteilen und kann abends zufrieden in mein Postfach gucken und sagen: läuft!

Ivan: Sehr schön. Als Troubleshooter hattest du viel Trouble (lacht), deswegen hat man dich ja auch geholt, um diesen Trouble irgendwie aufzulösen. Du hast viele problematische Projekte gelöst und sicher auch in vielen schwierigen Teams arbeiten müssen. Ich wage jetzt einfach mal die These, dass du ziemlich stressresistent bist oder sein musst, wenn du diesen Job so lange gemacht hast. Die Frage ist dann, was löst bei dir eigentlich noch Stress aus?

Maik: Gute Frage. Ja, du machst diesen Job mit Sicherheit nicht, wenn du nicht ein gewisses dickes Fell hast. Denn diese Projekte, gerade in der Automobilentwicklung, die ja per se schon dauernd unter Strom steht, zu machen, da menschelt es ganz extrem und auf allen Ebenen. Vielleicht habe ich das in der Zeit gelernt, vielleicht liegt es auch an meiner persönlichen Art, die Dinge extrem pragmatisch zu betrachten. Dass ich immer irgendwann das Gefühl habe, jetzt ist es gut. Dass ich wie so ein Indikator bin, der – bis heute, toi, toi, toi – sowohl als Troubleshooter mit den ganzen Projekten, die in Schieflage hängen und die ich wieder aufs Gleist gestellt habe, wie aber auch als Unternehmer, mehrere unternehmerische Dinge vorangeschoben hat. Und eine ist ja auch mit Pauken und Trompeten durch die Insolvenz gegangen. Auch da bist du in – ich sage mal – Situtionen, wo viel Druck herrscht. Und diese Momente zu spüren, jetzt ist es genug, das ist mir, wie gesagt, bis heute geglückt. Zu sagen, “es reicht”. Dazu kommt, dass ich schon immer jogge, also den Ausgleich mit dem Joggen suche. Ich habe das eine Zeitlang mal auf Halbmarathon-Niveau gemacht, hobbymäßig, kein Leistungssport, aber schon mit Anspruch. Das war ganz nett, ich habe dreimal den Kölner Halbmarathon gelaufen, und beim dritten Mal war es langweilig. Aber trotzdem diese Bewegung, draußen zu sein. Oder wenn ich nicht joggen gehe, dann versuche ich zumindest, meine 10.000 Schritte zusammen zu bekommen, und von mir aus abends nochmal eine halbe, dreiviertel Stunde einmal um den Block, einmal ums Karree zu laufen, einmal durch den Park, wenn ich unterwegs bin. Ich war am Wochenende in Berlin auf einem Projektmanagement-Barcamp, da wollte ich auch meine 10.000 Schritte gehen, das Wetter war auch ganz angenehm dort in Berlin, und dann bin ich eben durch die Stadt gelatscht, an der ehemaligen Mauer vorbei. Oder wenn ich zum Beispiel bei Hilti bin, die sitzen in Liechtenstein, und ich übernachte dann in Gams in der Schweiz, dann schaue ich, dass ich dort ein bisschen in die Berge komme und mir die Gegend angucke. Das heißt, Bewegung, draußen sein, den Kopf frei kriegen, abschalten, das ist als Ausgleich für mich ein wahnsinnig wirkungsvolles Prinzip.

Ivan: Jetzt haben wir gelernt, wie du mit dem Stress umgehst, wir haben dein treibendes Prinzip kennengelernt, die Neugier. Wir haben gesehen, dass du sehr gut mit Trouble umgehen kannst durch diesen Ausgleich und so weiter und so fort. Hast du eigentlich auch eine Art Lebensmotto, das dich trägt und auf das du dich immer wieder zurückbesinnen kannst?

Maik: Was mich schon immer, schon seit meiner Jugend begleitet, auch durch die dunkelsten Zeiten meiner unternehmerischen Tätigkeiten, also in allen möglichen Lebenslagen, das war für mich das Prinzip, wenn ich mal irgendwann von dieser Welt gehe, dann will ich auf jeden Fall sagen können, ich habe mein Leben gelebt, und ich habe bis heute, Stand X, das getan, was mir Spaß gemacht hat, was ich für wertvoll halte. Ich bin im Ruhrgebiet aufgewachsen zwischen Kohle und Stahl damals noch, 74er Baujahr, das heißt, du hast damals alles miterlebt, wie das früher so war. Ich dachte als Kind, dass die Sonne abends dreimal untergeht, davon waren zweimal Stahlabstiche in Dortmund, solche Sachen. Und du siehst das und denkst, nein, das ist nicht meins, dieses “ich gehe schaffen”. Und irgendwann bin ich 65, und dann heißt es, dass man endlich Zeit hat. Aber mit 65 bist du weder körperlich noch geistig in der gleichen Verfassung wie du es mit 30, 40 bist, so dass das Thema dann, das Leben zu genießen, irgendwie immer so ein bisschen widersprüchlich für mich war. Und ich habe für mich gesagt, nein, egal, wann ich von dieser Welt gehe, ich will einfach sagen können, dass ich bis dahin das gemacht habe, was mir Spaß gemacht hat und was für mich wichtig war, ich habe mein Leben gelebt. Und das ist eines dieser Prinzipien. Ich betrachte sehr genau die Tauschqualität meiner Zeit, denn das ist das einzige, was – aus meiner persönlichen Sicht – uns Menschen als Währung eben ist, das ist die Zeit. Wir werden geboren, wir kommen auf diese Welt, wir wissen, dass wir ein Budget an Zeit haben, aber keiner von uns weiß, wie viel er selbst hat, wir wissen es nicht. Das heißt, mir ist es unglaublich wichtig, ich weiß auch nicht, wie groß mein Budget ist. Ich bin jetzt 41, das weiß ich, so groß war es auf jeden Fall schon einmal, aber die Zeittausch-Qualität hoch ist, darauf achte ich extrem. Und das ist etwas, was ein Lebensmotto von mir ist.

Ivan: Das ist sehr, sehr inspirierend. Auch hier sieht man wieder den Ingenieur, der einfach seinen Sachverhalt sehr sauber darlegen kann, so dass man denkt, “stimmt, von der Seite habe ich es noch nie so richtig angeschaut”. Vielen Dank für dieses schöne Interview mit diesem wunderbaren Abschluss. Vielen Dank, dass du dir die Zeit dafür genommen hast.

Maik: Danke dir, Ivan, dass ich hier sein durfte.

Bildnachweis: © unsplash.com

ÜBER IVAN BLATTER

Ivan Blatter
Ivan Blatter

Ich bin seit 2008 Zeitmanagement-Coach und unterstütze Selbstständige dabei, durch strategisches Zeitmanagement mehr Klarheit, mehr Fokus und mehr Zeit für das zu schaffen, was wirklich zählt. Damit gewinnen sie die Kontrolle über ihre Zeit und Arbeit zurück und haben wieder den Freiraum, den sie brauchen.

Mit meinen Videos auf YouTube, meinem Podcast, meinem Buch "Arbeite klüger – nicht härter", und meinem Newsletter habe ich bereits tausenden Menschen geholfen, wieder mehr Klarheit, Fokus und Kontrolle über ihre Zeit zu erlangen.

Für alle, die gezielt und nachhaltig vorankommen möchten, biete ich mit meinem Angebot wirksame Lösungen für ein funktionierendes und nachhaltiges Zeitmanagement.

Immer getreu meinem Motto: Nutze deine Zeit, denn sie kommt nie wieder.