Neue Ideen zu entwicklen und dann auch tatsächlich einige davon umzusetzen, ist wohl das Lebenselixier jedes Solopreneurs.
Doch wie generiert man am besten neue Ideen? Soll man einfach auf den Musenkuss warten? Wie behält man den Überblick über seine Ideen und verfolgt dann auch tatsächlich einige davon?
Über diese und viele weitere Fragen unterhalte ich mich mit Bernd Geropp.
So generierst du neue Ideen und behältst sie im Blick
In diesem Doppelkick sprechen wir über:
- wie wir neue Ideen festhalten;
- wie wir die Ideen weiter verarbeiten;
- woher die meisten guten Ideen herkommen;
- wie große Ideen aus vielen kleinen Inspirationen entstehen;
- was ein Ideenmarathon ist und wie der dir hilft, neue Ideen zu entwickeln;
- wie eine Spielwiese hilft, die Kreativität zu entfesseln;
- wie wichtig der Wochenrückblick auch für die Ideen ist;
- …und vieles mehr.
Hier sind die Link zu den beiden Artikeln, über die wir sprachen:
- Ideenmanagement: Die Krux mit der Kreativität in Unternehmen!
- Der Ideen-Marathon: So produzieren Sie jeden Tag eine neue Idee
Das Gespräch zum Nachlesen
Ivan Blatter: Hallo Bernd, wie geht es dir?
Bernd Geropp: Hallo Ivan, mir geht es bestens.
Ivan: Sehr schön, das höre ich doch gerne. Heute wollen wir uns zum Thema „Ideen“ unterhalten, also Ideen zu generieren und sie nicht aus dem Blick zu verlieren. Sag mal Bernd, du produzierst auch sehr viel Content, sei es für deine Leadership Plattform, sei es für deinen Podcast oder natürlich auch für deine Seminare und so weiter und so fort. Woher bekommst du all diese tollen Ideen für dein Business?
Bernd: Wie soll ich das sagen? Man beschäftigt sich mit ziemlich vielen Sachen, liest hier etwas, liest dort etwas, hört einen Podcast, liest ein Buch, spricht mit jemandem, und irgendwann kommt eine Idee. Leider kommt sie meist dann, wenn man nichts zu schreiben dabeihat, wenn man im Auto sitzt, wenn man unter der Dusche ist, wie auch immer. Und ich benötige dann häufig nur ein kleines Zettelchen, auf dem ich mir quasi nur dieses Stichwort aufschreibe, und zumindest ein paar Stunden oder einen Tag lang weiß ich, was dahintersteckt. Auch wenn ich nichts zu schreiben dabeihabe, habe ich doch meist mein Smartphone mit. Gut, unter der Dusche nicht, aber zum Beispiel beim Laufen, und dann schicke ich mir selbst eine E-Mail. Im Betreff steht dann nur dieses Stichwort drin, vielleicht mit ein, zwei weiteren Worten, und die kommt bei mir in die Inbox, und dann nach ein paar Stunden verwende ich sie und schreibe sie mir entweder auf meine Liste oder, je nachdem, wie ausgearbeitet die Idee bereits ist, dann in den Todoist hinein. Ich habe auch häufig Selbstklebezettelchen, diese gelben Dinger, und wenn es etwas Wichtiges ist, schreibe ich es auf. Oder ich habe ein Whiteboard, und wenn ich eine Idee bekomme, schreibe ich es dort auf. Für mich ist wichtig, dass es irgendwo schriftlich notiert ist, denn dann ist es aus meinem Kopf heraus, und dann kann ich mich wieder um andere Sachen kümmern. Und innerhalb eines Tages muss ich das entweder in meine Liste oder in meinen Todoist tun. Und da gehe ich verschiedene Steps durch.
Das Erste ist das Aufschreiben des Stichworts, dann lasse ich es ein bisschen liegen, denn ich würde sagen, wenn ich es mir einen Tag später nochmal anschaue, dann denke ich mir bei den meisten Ideen, „nein, diese Idee, Bernd – vergiss sie, die war doch nicht so toll!“ Dieses Liegenlassen ist für mich wichtig.
Ivan: Löschst du dann diese Idee oder lässt du sie? Vielleicht findest du sie in zwei Jahren doch toll?
Bernd: Ich würde sagen, 70 Prozent verwende ich weiter, aber bei 30 Prozent passt es nicht – weg damit! Das ist auch okay. Aber es gibt durchaus viele, die bleiben dann auch, die habe ich auch noch nach einem halben Jahr. Die stehen auf meinem Zettelchen irgendwo oder eben im Todoist. Wichtig ist mir, regelmäßig mal wieder drüberzuschauen. Und dann kann ich entscheiden, ob ich diese Idee weiterverfolge oder nicht. Und irgendwann gibt es auch durchaus den Fall, nach einem halben Jahr oder so, dann schmeiße ich sie dann weg. Viele können aber eben auch weiter schriftlich und detaillierter ausgearbeitet werden. Und wenn sie wirklich gut sind, und sie kommen in meinen Fokus, dass ich mir sage, „Mensch, das müsstest du machen“, dann gehe ich in die Detailplanung oder Umsetzung, aber immer nur, wenn Fokus und Zeit dafür passen.
Ivan: Bei mir ist es ganz ähnlich. Ich habe mir zwei Stichworte aufgeschrieben, nämlich „Inspiration“ und „Transpiration“. Die Inspiration, die kommt häufig einfach so, weil man irgendetwas Interessantes liest oder sich mit jemandem austauscht. Und dann bekommt man vielleicht nicht mal eine Idee genau zu der Sache, über die man sich gerade unterhält, sondern zu irgendetwas sonst, was so im Kopf passiert. Das ist die Inspiration, und da gehe ich mit dir voll und ganz einig, das gehört sofort hingeschrieben. Und ich bin davon weggekommen, zu kopieren. Ich lese zum Beispiel alle meine Bücher nur noch auf meinem iPad und lese sehr viel im Internet, und da ist es sehr einfach, Copy & Paste zu machen und das schnell hinüber in das Notizprogramm zu schieben. Ich bin davon weggekommen, denn der Satz, der dort steht, der hat etwas in mir ausgelöst. Aber nicht der Satz an sich ist interessant, sondern das, was er ausgelöst hat. Und deshalb schreibe ich die Ideen oder diese Dinge immer in eigenen Worten auf, ähnlich wie du, in kurzen Stichworten. Ich habe übrigens eine Lösung für die Einfälle unter der Dusche: Ich habe nämlich eine Apple Watch, und da kann man auch wunderbar diktieren.
Bernd: In der Dusche?
Ivan: Unter der Dusche, ja, die Uhr ist wasserdicht, da kann ich auf einen Knopf drücken und dann via Siri, also dem Sprachassistenten, sagen, „notiere dieses und jenes“, was mir eben so einfällt. Manchmal ist das auch „Milch einkaufen“ oder so etwas, was mir gerade einfällt, aber es kann auch irgendeine geniale Idee sein. Und das geht auch unter der Dusche. Überhaupt, das ist mir sowieso eingefallen, du hast vorhin gesagt, dass dir auch Ideen im Auto einfallen. Jedes Handy hat eine Diktierfunktion oder einen Sprachassistenten, beim iPhone ist es Siri, bei Android ist es Google Now, und die kann man mit einem Tastendruck einschalten und sagen, „erinnere mich an dieses oder jenes“ oder „notiere diese oder jene Idee“.
Bernd: Ich habe im Auto solche kleinen gelben Zettelchen, und dort schreibe ich meist das Stichwort auf. Aber wenn ich drei Stunden Auto fahre und dann fünf Zettelchen im Auto habe, dann ist das auch immer ein bisschen blöd.
Ivan: Genau, das ist sozusagen die Inspiration, also eben immer etwas aufzuschreiben, immer notieren, sofort festhalten, damit die Idee nicht wieder verschwindet. Und dann kommt noch die „Transpiration“, dann geht es darum, etwas Eigenständiges daraus zu machen. Du hast es auch sehr schön beschrieben mit „nochmal drüberschauen“ und dann entscheiden, ob du es weiterverfolgen willst oder nicht, um es dann je nachdem detaillierter auszuarbeiten. Das ist das, was bei mir unter „Transpiration“ fällt. Aber ich glaube, das ist der entscheidende Schritt, denn sonst hast du irgendwo eine Idee festgehalten, aber dann passiert nichts mehr damit. Und es gibt ein Gesetz im Zeitmanagement, das nennt sich das „72-Stunden-Gesetz“, und das besagt, wenn wir eine Idee, eine neue Aufgabe, ein neues Projekt oder was auch immer nicht innerhalb von 72 Stunden wenigstens kurz durchdenken, dann sinkt die Wahrscheinlichkeit auf unter fünf Prozent, dass wir dieses Ding jemals angehen.
Bernd: Das glaube ich, ja, das ist absolut stimmig und läuft auch bei mir so. Deswegen sage ich, dass ich die Sache nach einem Tag wieder angefasst haben muss, sonst ist sie weg.
Ivan: Dann ist es einfach weg oder zwar notiert, aber es ist dann einfach nur so da, so ein Ladenhüter, das sind dann sozusagen die Ladenhüter auf allen unseren Listen.
Bernd: Die stehen immer ganz unten, genau (lacht).
Ivan: (Lacht) Genau! Also wenigstens kurz ein Brainstorming oder vielleicht den Satz, den du gerade aufgeschrieben hast, kurz einmal durchdenken und ergänzen, ein paar Stichworte hinschreiben, das hilft enorm.
Bernd: Das darf ich zwar jetzt nicht sagen, weil es wieder mit viel Papier zu tun hat, aber ich schreibe es mir immer irgendwie auf ein DIN A 4-Papier auf, wenn ich ein bisschen mehr Details habe, und dann kommt das in eine bläuliche, durchsichtige Mappe. Ich habe auch in meinem Regal ganz viele Sachen mit den etwas mehr ausgearbeiteten Ideen für Blogbeiträge, für was weiß ich nicht alles. Du machst es wahrscheinlich eher so, dass du es in digitaler Form ausarbeitest. Bei mir ist das immer noch sehr stark in Papierform. Ich brauche anscheinend diese haptische Geschichte mit dem Papier, anders geht es nicht. Oder ich mache es so, dass ich auf dem Whiteboard male. Dann stehe ich da, mache mir eine Kopie mit dem iPhone und – jetzt wirst du wieder lachen – drucke es dann aus.
Ivan: Jetzt muss ich tatsächlich ein klein wenig schmunzeln (lacht).
Bernd: (Lacht) Ich habe es dann doppelt, nicht, dass es verloren geht!
Ivan: Stimmt, das ist ein gutes Backup.
Bernd: Ich nutze es jedoch dann mit dem Papier.
Ivan: Es spricht überhaupt nichts dagegen, sich komplett auf Papier zu organisieren oder für gewisse Dinge eben Papier zu nutzen. Wenn es bei dir funktioniert, dann umso besser, Hauptsache, es funktioniert. Der Grundsatz lautet natürlich immer: Gut ist, was für dich gut ist oder was bei dir funktioniert. Bei dir ist das Papier, und bei mir sind das tendenziell eher digitale Notizen. Ich schreibe mir Dinge fast ausschließlich digital auf, denn die kann ich viel leichter durchsuchen.
Bernd: Das ist ein Vorteil, das stimmt.
Ivan: Das ist für mich ein großer Vorteil. Ich muss aber auch sagen, wenn es dann um die Ausarbeitung geht, wenn es noch in einem sehr frühen Stadium ist, wenn es um Kreativität geht, um Brainstorming und so, dann nutze ich gerne Mindmaps, allerdings auch elektronisch. Aber eben auch, um nicht nur so einen nackten Bildschirm zu haben mit ein paar Stichworten. Und, was ich neuerdings auch vermehrt mache, ich habe mir ein iPad Pro gekauft und dazu den Apple Pencil. Das heißt, ich schreibe jetzt wieder sehr viel, aber nicht auf Papier, sondern auf dem iPad. Und das funktioniert sehr gut, es gibt kaum eine Verzögerung zwischen der Bewegung, die du machst und dem Strich, der dort entsteht. Von daher ist es fast wie Papier. Es ist natürlich kein Papier, du schreibst immer noch auf einer Glasoberfläche, aber der Stift ist so gut, ich habe bisher keinen besseren gesehen.
Bernd: Und wenn du dann fertig bist, dann druckst du es aus.
Ivan: Selbstverständlich nicht (lacht)! Ich habe hier in meinem Büro – das ist kein Witz – keinen Drucker mehr. Meine Frau hat einen, gut, das sind nur fünf Meter nebenan, da hat es noch einen Drucker. Aber trotzdem, ich habe keinen Drucker mehr. Wenn ich einmal im Monat etwas ausdrucke, dann habe ich schon viel gedruckt, denn ich bin wirklich papierlos organisiert. Aber ich habe das Ding dann auch direkt am Computer, wo ich mir die Sachen per Hand aufgeschrieben habe, und das ist echt super. Übrigens hat es mich immer gestört, einen Laptop auszupacken, wenn ich mit jemandem im Gespräch bin oder ein Coaching mache. Das hat mir nie so richtig gefallen, und ich hatte nie ein gutes Instrument, um mir Notizen zu machen. Jetzt habe ich es endlich, und es ist wirklich ganz, ganz toll, wenn ich direkt etwas aufschreiben kann – wie auf Papier, aber ohne tatsächlich Papier zu haben.
Bernd: Ja, das kann ich mir vorstellen, das ist eigentlich sehr vergleichbar mit Papier, es ist sehr ähnlich.
Ivan: Und gerade, wenn es darum geht, eine Idee auszuarbeiten oder eben innerhalb von 72 Stunden ein bisschen daran herumzubasteln, da gibt es bei mir auch die Pfeile in verschiedenen Farben sowie Symbole, und das kannst du digital nicht 1:1 nachbilden.
Bernd: Ich glaube, egal wie, jeder muss sein eigenes System finden. Aber das Entscheidende ist, man muss ein gutes System für sich finden, wie man die Ideen schnell festhalten kann und wie man sie dann weiterverarbeitet. Und da kommt mir in den Sinn eben einmal die 72-Stunden-Regel, dass ich die Idee wirklich nochmal im Kopf aufnehme und noch ein bisschen weiter ausarbeite oder dass ich eben entscheide, dass der Gedanke nichts taugt. Aber für mich ist dann auch irgendwann bei bestimmten Ideen wichtig, sich mit jemandem auszutauschen. Bei manchen Ideen ist das nicht nötig, aber bei anderen, vor allen Dingen bei denen, die eher in Richtung Strategie gehen, schon. Deswegen finde ich das mit unserem Mastermind immer eine hervorragende Sache. Dass man fragt, „was haltet ihr davon?“, wenn man sich etwas vorgenommen oder eine bestimmte Idee entwickelt hat. Und die Rückmeldungen, die man bekommt, die helfen einfach, die Idee nochmal ein bisschen wachsen zu lassen. Vielleicht geht es in eine andere Richtung, man bekommt noch einen weiteren Input und, und, und. Das finde ich eine sehr wichtige Sache. Ich habe auch mal einen Blogartikel darüber geschrieben, weil ich mir vor allem in Unternehmen dieses Ideenmanagement überlegt hatte, und da gibt es viele Sachen, die nicht so richtig funktionieren, wie sie sollten. Ich bin damals bei diesem Blogartikel auf ein Video gestoßen, das ich richtig toll fand, das ist von Steve Johnson und heißt „where good ideas come from“. Das dauert etwa fünf Minuten, und im Prinzip ist es ein Vortrag, den er hält, hinterlegt mit einer Comic-Struktur, wo die Sachen aufgezeichnet werden. Es macht Spaß, sich dieses Video anzuschauen. Und die Grundidee hinter diesem Video, die er rüberbringt, die ist, dass er sagt, dass die meisten guten Ideen immer in der Verknüpfung einzelner Gedanken über einen längeren Zeitraum liegen. Das heißt, die Ideen müssen diskutiert werden, und große Ideen, die ergeben sich eigentlich erst im Zusammenspiel mit vielen kleinen Inspirationen. Und dieser geniale Moment, den man sich immer so vorstellt mit einer Glühbirne und „ahaaaaaaa!“, wie bei Albert Einstein, den beschreibt er folgendermaßen: „Der geniale Moment als Geburt einer herausragenden Idee ist eher die Ausnahme“. Das ist sehr stimmig. Und das erlebe ich bei meinen Ideen auch immer wieder, es kommt unheimlich viel mehr dabei herum, wenn ich die Ideen ein bisschen ausarbeite, aber dann einfach zur Diskussion stelle, mit Leuten, die Interesse an der Sache haben.
Ivan: Auf diesen Artikel mit dem eingebetteten Video werde ich sehr gerne in den Show Notes verlinken, damit sich auch die Zuhörer das Video von Steve Johnson anschauen können. In eine ähnliche Richtung geht übrigens eine andere Erfahrung, die ich gemacht habe. In einem Blogartikel habe ich über den Ideenmarathon geschrieben. Der geht zurück auf einen Japaner mit dem Namen Takeo Higuchi – keine Ahnung, ob man das so ausspricht – aber der hat seit den 1980’er Jahren jeden Tag eine Idee aufgeschrieben. Das ist sein Ziel, jeden Tag eine Idee aufzuschreiben, und er hat mittlerweile über 300.000 Ideen produziert und 400 Notizbücher gefüllt, das ist irre! Und das musste ich natürlich auch ausprobieren. Ich habe das eine Zeitlang gemacht und mir vorgenommen, täglich eine Idee aufzuschreiben. Und das ist, glaube ich, der springende Punkt, du musst dich wirklich hinsetzen und sagen, „so, ich mache erst weiter, wenn ich eine Idee gehabt habe“. Und wenn du bewusst suchst, dann kommen sie. Manchmal war die Idee blöd oder nicht gut oder unrealistisch, aber das spielt alles keine Rolle.
Bernd: War es eine Idee zu einem bestimmten Thema oder war es eine ganz allgemeine Idee?
Ivan: Das waren ganz allgemeine Ideen. Das konnten ganz kleine Ideen sein, zum Beispiel, „wir könnten heute dieses und jenes zu Abend essen“. Oder „wir könnten mal wieder diesen Freund einladen“ oder so. Aber daraus sind echte Businessprojekte entstanden, die ich dann weiterverfolgt und tatsächlich auch umgesetzt habe. Beispielsweise mein Programm „Effizienz PLUS“, davon gab es einen Vorläufer, das entstand auf diese Weise, also effektiv im Rahmen dieses Ideenmarathons.
Bernd: Du kannst es quasi für dich richtig planen? Du setzt dich hin und sagst, „so, und jetzt – Ideen machen!“
Ivan: Genau. Das deckt sich mit der Aussage von Steve Johnson, du hast es gerade gesagt, dass der geniale Moment als Geburt einer herausragenden Idee eher die Ausnahme ist. Und das ist der zweite Aspekt der Transpiration, die ich am Anfang angesprochen habe, ich glaube beispielsweise nicht an die Idee der Muse. Das ist für auch so etwas, wenn du einfach wartest, bis dich „die Muse küsst“, dann wartest du lange! Die Muse, das ist eine Dame, die umworben werden will, ohne Candlelight-Dinner und so geht da nichts, die musst du hegen und pflegen. Du musst ein bisschen mit ihr flirten, und dann küsst sie dich!
Bernd: Das ist natürlich sehr stimmig. Du beschäftigst dich mit einer Sache, du hast keine Lösung, es geht nicht voran, aber du hast dich zumindest damit beschäftigt. Und dann sagst du, „so, jetzt mache ich etwas Anderes, jetzt gehe ich spazieren, jetzt mache ich Musik oder Sport“, und nach drei Stunden setzt du dich wieder dran, und auf einmal hast du die Idee, weil dein Kopf in der Zwischenzeit weitergearbeitet hat. Das ist das Prinzip dahinter.
Ivan: Ganz genau so ist es. Einerseits das, und das Andere ist natürlich auch das regelmäßige Durchsehen und Abarbeiten, wie du es auch geschildert hast. Das war im Rahmen des Ideenmarathons, es gab nur wenige Regeln, zum Beispiel eben, jeden Tag eine Idee aufzuschreiben, so kurz wie möglich. Man muss die Möglichkeit haben, jederzeit eine Idee aufschreiben zu können, klar. Und eine weitere Regel war, das ist ganz spannend: Die Ideen lassen sich verdoppeln, indem man darüber spricht, das ist genau dasselbe, was du vorhin auch angesprochen hast. Und es geht eben auch darum, diese Ideen regelmäßig durchzusehen und sich zu überlegen, ob man sie weiterverfolgen will oder nicht. Und viele Ideen sind dann im Rahmen dieses Ideenmarathons weggeflogen, aber einige Ideen sind tatsächlich geblieben. Eben dieses bewusste Arbeiten an Ideen, das bewusste Suchen von Ideen, das finde ich schon sehr, sehr wichtig.
Bernd: Und ich glaube, wenn du den Austausch mit anderen hast, das ist mir auch früher bewusst geworden, wenn du eine Präsentation machst, dann musst du dich konzentrieren auf deine Idee. Du sagst, „ich weiß, wie das geht“, aber jetzt musst du einer anderen Person beibringen, was deine Idee ist. Das heißt, du musst es irgendwie formulieren. Und durch den Zwang, etwas zu formulieren, es niederzuschreiben, wird die die Sache nochmal klarer. Allein schon dieser Prozess der Vorbereitung, bevor du überhaupt dort hingegangen bist und mit anderen darüber gesprochen hast, der hilft bei der Ausarbeitung der Idee bereits weiter.
Ivan: Das war übrigens auch die Motivation, mit meinem Blog zu starten. Ich habe mich damals sehr intensiv mit Produktivität, Zeitmanagement und diesen Dingen beschäftigt, und ich habe mir gesagt, „okay, du kannst nur erkennen, ob du es wirklich begriffen hast, wenn du es jemandem erklärst“. Und ich wollte mein Umfeld nicht ständig mit Vorträgen beglücken, also habe ich einen Blog gestartet.
Bernd: Gerade, wenn du in einer Partnerschaft bist und ständig über die Sache sprichst – das kommt auch nicht gut.
Ivan: Nein, und ich höre da gewisse Erfahrungen bei dir heraus, Bernd! (Lacht)
Bernd: (Lacht) Das ist ganz normal. Wenn du von einer Sache extrem begeistert bist und von morgens bis abends nur darüber redest, dann ist das für dich interessant, aber nicht unbedingt für den Partner. Also muss man da ein bisschen aufpassen.
Ivan: Wobei dir der Partner in einer guten Beziehung zu verstehen gibt, dass du jetzt das Thema wechseln darfst.
Bernd: Genau das, und das meine ich auch, dann brauchst du jemand anderen, mit dem du dich zusätzlich austauschst.
Ivan: Genauso ist es, ja. Vor fünf Jahren habe ich den Ideenmarathon mal gemacht, ich mache es heute nicht mehr, einfach, weil ich auch noch andere Dinge mache, aber was mir vor allem vom Ideenmarathon geblieben ist, das ist, sich die Zeit zu nehmen für Ideen. Vielleicht kann man es auch allgemeiner sagen, sich Zeit zu nehmen für die übergeordneten Fragen im Business oder sogar des Lebens. Wir tauchen in die Tageshektik ein, arbeiten und tun und machen, aber immer nur das, was gerade anliegt. Sich wirklich die Zeit zu nehmen, einen Schritt zurückzutreten und zu überlegen, „wohin will ich?“ oder Ideen zu entwickeln und auszuarbeiten, das ist etwas, was häufig zu kurz kommt.
Bernd: Das ist gerade auch in meinem Bereich so, bei Führungskräften sehe ich das häufig. Dort versuche ich immer, das Bild eines Helikopters zu nehmen. Ich sage dann, „ihr müsst euch wenigstens einmal am Tag in einen Helikopter setzen und die Sache von oben anschauen“. Und das gilt hier genauso, dass ich sage, ich muss aus meinem Tagesgeschäft heraus, ich muss einen großen Blick haben, und nur, wenn ich diesen großen Blick habe, wenn ich mich mit diesen Sachen beschäftige, dann kommen auch tolle Ideen auf, zumindest, die etwas größeren und breiteren Ideen. Die habe ich nicht, wenn ich die ganze Zeit eng und operativ an einer Sache arbeite, dann bekomme ich keine Ideen.
Ivan: Das sind eher die Einfälle, die einem zufliegen und die spontan kommen. Die sind auch gut, aber es sind selten die wirklich ganz großen, tollen Ideen.
Bernd: Die tollen Ideen, die bekomme ich gerade dann, wenn ich mich von ganz anderen Dingen inspirieren lasse. Wenn du etwas ganz Anderes machst, wenn du beispielsweise etwas geschrieben hast und dann Musik oder Sport machst, das ist etwas, was ganz anders ist. Bisher hast du dich ganz anders bewegt oder andere Gehirnregionen angeregt oder wie auch immer, und da passiert häufig sehr viel, das ist mein Eindruck.
Ivan: Durch den Wechsel oder auch einfach durch das Loslassen, durch den klassischen Spaziergang. Viele große Denker waren Spazierer, die ihre Ideen beim Spaziergang entwickelt haben. Das ist schon noch etwas, was wir uns auch zu Herzen nehmen sollten: Was gut für die ganz großen Denker war, das kann nicht schlecht für uns sein!
Bernd: Das stimmt.
Ivan: Ich mache es auch nicht, aber jetzt während unseres Gesprächs fällt es mir ein.
Bernd: Ich werde täglich dazu gezwungen, weil wir Hunde haben, das heißt, ich gehe dann mit den Hunden Gassi, und das ist schon ganz gut.
Ivan: Was ich bei mir noch eingerichtet habe, wir haben bereits in einer anderen Folge darüber gesprochen, das ist so eine Art Wochenplan. Der Freitag ist bei mir mehr oder weniger für Strategisches reserviert, für Weiterbildung, Planung und diese übergeordneten Fragen. Und da gehören die Ideen auch dazu. Das heißt nicht, dass ich mich den ganzen Freitag nur mit solchen Dingen beschäftige, aber da habe ich ein Zeitgefäß, das ich nutzen darf, wenn ich es nutzen will, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Und dann kann ich eben auch mal einen Nachmittag lang einer Idee nachspinnen. Oder wenn ich ein neues Projekt oder ein neues Produkt anfange, da gibt es bei mir immer eine Phase, die ich „die Spielwiese“ nenne. Ich weiß, ich mache das jetzt, ich weiß noch nicht genau, wie, und dann probiere ich einfach aus. Ich versuche, das Ding greifbarer zu machen. Und wenn ich beispielsweise ein neues Produkt mache, dann beginne ich häufig mit der Webseite, was eigentlich erst am Schluss sein müsste, denn normalerweise kommt zuerst der Inhalt. Aber ich muss es sehen, spüren und erfahren können, noch bevor ich mich überhaupt an die Inhalte mache. Und da entstehen auch sehr viele Ideen, was funktioniert, was funktioniert nicht, was möchte ich, was möchte ich nicht?
Bernd: Das kenne ich auch sehr gut. Zum Beispiel, wenn man eine Präsentation erarbeitet, dann ist die Frage, um was geht es? Das setzt man um, und dann holt man sich die entsprechenden Bilder. Und wenn ich beobachte, wie ich selbst so etwas mache – ich springe immer hin und her. Und ich glaube, dass es für mich wichtig ist, es so zu machen. Es gibt Sachen, da bin ich eben eine halbe Stunde lang an einer Folie dran. Ich baue sie aus, weil mir das gerade Spaß macht und gefällt. Und dann gehe ich wieder zu den anderen Sachen zurück. Aber daraus wird eben eine Sache, und ich glaube, das hängt damit zusammen, dass es mich zu neuen Ideen inspiriert. Und die Präsentation nimmt dann auch einen leicht anderen Verlauf, und es kommen weitere Ideen hinzu. Bestimmte Sachen werden wieder abgespeckt, aber so, wie es ursprünglich von den Leuten gesagt wird, „du musst die Bilder erst ganz zum Schluss reinmachen“, nein, das ist bei mir nicht der Fall. Wenn ich irgendetwas finde, was passt, dann ist das super.
Ivan: Ja, in jedem Fall. Bei mir ist es auch so, wobei meine Präsentationen eigentlich mehr oder weniger nur aus Bildern bestehen und die Folien nur mit wenigen Stichworten versehen sind. Von daher muss ich mit den Bildern anfangen. Aber der andere Aspekt, dieses bewusste Abarbeiten, auch da habe ich ein Zeitgefäß geschaffen, und auch darüber sprach ich schon, nämlich im Rahmen des Wochenrückblicks, wenn ich durch meine Notizen durchgehe. Ich nutze nur ein Instrument, um Dinge zu notieren, weil ich mich nicht verzetteln will, also im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn ich eine der Ideen irgendwo in einer Mappe habe, eine andere auf dem iPhone und die dritte sonst irgendwo, dann finde ich sie nie und nimmer wieder. Einige davon gehen dann verloren oder sind eingegraben, und die sehe ich nie mehr wieder. Deshalb nutze ich nur ein einziges Instrument, mein Notizprogramm, und das kann ich Ende der Woche durchgehen und sehen, was ist neu dazugekommen? Ich kann die Notizen kurz durchgehen, lösche einige oder arbeite ein paar davon aus, schreibe Stichworte hin und so weiter und so fort. Das tue ich im Rahmen meines Wochenrückblicks.
Bernd: Das finde ich eine sehr gute Herangehensweise. Das ist quasi so, als würdest du dich einmal am Ende der Woche in den Helikopter setzen.
Ivan: Genauso ist es. Ja, lieber Bernd, wir kommen schon langsam zum Schluss. Ich hoffe, wir haben unseren Zuhörern ein paar gute Ideen geben können, wie sie mit ihren Ideen weitergehen können. Ich werde in jedem Fall auf deinen Artikel verweisen, nicht zuletzt auch wegen des Videos von Steve Johnson. Und ich werde auch auf den Artikel verweisen, den ich zum Ideenmarathon geschrieben habe. Das alles findet man dann in den Show Notes.
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